Penthesilea (72)

Auf der Liste ist auch das Drama «Penthesilea» von Kleist. Die Nummer zwei in der losen Serie von Rückblicken auf Lektüren aus dem Jahr 2007.

Schon die Form des Dramas lässt staunen: Ein Einakter. Das klassische Drama – und erst recht die klassische Tragödie – streben nach fünf Akten, wobei eine Exposition – die Vorstellung der Figuren und der Szenerie – und ein Wendepunkt spürbar sein sollen.

Mit dieser Regel, die bis auf Aristoteles zurückgeht, bricht Kleist. Das Drama besteht aus einem einzigen Akt mit sage und schreibe vierundzwanzig Auftritten, in denen sich die Situation um Achill und Penthesilea zuspitzt.

Vor dem Hintergrund des trojanischen Krieges positionieren sich die Streitkräfte der Amazonen (hüte sich, wer bei Amazon bestellt, dass ihm nicht gleichgesinnte Frauen mitgeschickt werden – dazu weiter unten mehr) gegen diejenigen der Griechen und Trojaner.

Bereits am Anfang zeichnet sich die kritische Situation ab. Achill kann den Händen der Penthesilea entkommen – ganz knapp erwischt sie den Halbgott nicht an seiner Achillessehne, der einzigen verletzlichen Stelle des Helden. Penthesilea ist darüber derart aufgebracht, dass sie seine Verfolgung aufnimmt.

Penthesilea und das Amazonenheer

Interessant wird das Drama an der Stelle, wo die Amazonen beginnen, das Rosenfest vorzubereiten. Die Vorstellungen über den Frauenstaat, die nur Männer braucht, um das Amazonenvolk zu erhalten, es besteht rein aus Frauen, das versteht sich von selbst, die Männer werden ausgestossen.

Festrosen, Rosen, Rosenfest

Aber eben, es war ja die Vorbereitung des Rosenfests, das eigentlich gar noch nicht hätte vorbereitet werden dürfen. Denn die Regel besagt, dass das Rosenfest erst dann vorbereitet werden darf, wenn der Sieg der Amazonen besiegelt ist und die Männer als die Sklaven der Frauen ausgebeutet werden können.

Aus Küssen werden Bisse

In der entscheidenden Szene wird begonnen zu täuschen: Achill – ganz von der Schönheit Penthesileas geblendet – gibt vor, die Dame habe ihn besiegt. Daraus erwächst auch ein Missverständnis, das Folgen haben wird, die die Tragödie tragisch enden lassen:

«So war es ein Versehen. Küsse, Bisse
Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt,
Kann schon das eine für das andre greifen.»

Eine Orgie also, die das Stück und Achill zu Ende gehen lässt. Penthesilea wird dem Tier ähnlich: Wie die Hunde stürzt sie sich auf Achill und beginnt in zu küssen – und im gleichen Moment zu zerreissen. Aus einem Versehen. Hündischer Mensch, menschlicher Hund aus Versehen. Ein Kuss, kein Meilenstein vom Biss entfernt.

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