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Lesende Emanzipation

Ich lese gerade einige interessante Ansätze, über die ich noch schreiben muss: Da ist einmal der Thoughtful Reader als ein Modell eines Lesers, das weit in die Konzeption eines Lesers hineingeht und den Lektüreprozess zu einem aktiven Prozess umgestaltet, einen Nutzen daraus ziehen möchte, dass der Leser aktiv am (wenn auch nur mentalen) Text mitarbeitet.

Dann sind da noch Jacques Rancières Lektionen über die intellektuelle Emanzipation. Sie inspirieren mich aufs Äusserste, weil sie ebenfalls die Aktivität der Schülerin in den Fokus rückt, indem sie nicht Subjekt einer Unterweisung ist, sondern die Intelligenz nutzen soll, um zu lernen.

Beide Texte legen den Fokus auf den Prozess des Lesens bzw. Lernens, der Erkenntnisse bringen soll, Aspekte, die mir während des vergangenen Jahres viel wichtiger geworden sind, mir aber – wie ich jetzt retrospektiv bemerke – für mein eigenes Lernen und meine Arbeit mit Texten immer wichtig waren: Immer war es mir wichtig, emanzipiert und eigen mit Texten oder Gelerntem umzugehen, nicht bloss etwas wiederzukauen, was andere über Texte bereits gesagt hatten. Aber natürlich gehört es dazu, das bereits Gesagte zur Kenntnis zu nehmen und in eigene Gedanken zu integrieren.

Das verband ich auch immer mit digitalen Lernumgebungen: Sie sollten dazu dienen, mir die Bibliotheken der Welt auf den Schreibtisch bringen, mir dabei helfen, mich Gedanken hinzugeben und etwas weiterzudenken. Das hat nichts mit Lernplattformen zu tun, sondern damit, für mich Gedanken festzuhalten, sie in mein Denken zu integrieren und festzuhalten. Und wie ich merke, hat das mehr mit dem Modell der Bibliothek im Wabenmuster, wie ich sie mir vor mehr als zehn Jahren hier bereits einmal vorgestellt hatte, zu tun, als mit vielen anderen Denkfiguren, die ich in der Zwischenzeit dafür zurechtgelegt hatte.

Jacques Rancière: Der unwissende Lehrmeister. Fünf Lektionen über die intellektuelle Emanzipation, hg. v. Peter Engelmann. Wien 3., verbesserte Aufl. 2018 (Passagen Forum), übers. v. Richard Steurer-Boulard.

Linkeria #28: Kreieren & Kommentieren (Woche 11, 2010)

  • Ways of writing: Wir müssen bessere Schreiber werden. Warum wir lesen müssen, damit wir antworten können. «That, of course, was the reason for the pen all along: it’s a physical reminder that you are not reading merely to consume the words of others passively, but that you have an obligation to respond.»
  • How to Become a Better Manager … By Thinking Like a Designer: Zusammenhängendes, strukturiertes und kreatives Denken von Designern für Managern. Ein Interview mit Nancy Duarte und Garr Reynolds (Presentation Zen). «Look for metaphors in your daily lives that you can apply toward illustrating and clarifying ideas. Personal stories can also be incredibly effective in helping to create context and meaning.»
  • You are creative (who the %$#@! says you’re not?): Über den Wert von Ruhezeiten und Wiederaufladen. «Idling or „doing nothingness“ is important. Most of us, myself included, are obsessed with „getting things done.“ We’re afraid to be „unproductive.“ And yet, the big ideas often come to us during our periods of „laziness,“ during those episodes of „wasting time.“»
  • Wiederentdeckung der Musse: Warum es wichtig ist, nichts zu tun, im Armsessel zu sitzen und Gedanken nachzugehen statt auf der To-Do-Liste einen Punkt nach dem anderen abzuhaken, Mails tausend Mal am Tag abzufragen und zu beantworten.
  • «Muße braucht Zeit»: Interview zur Beschleunigungsgesellschaft mit dem Soziologen Hartmut Rosa. Die Technik lullt uns ein mit ihrer Schnelligkeit und macht uns zur Langsamkeit in Person.

Jeden Samstag 3 Links und Kürzestzusammenfassungen zu interessanten, visionären, relevanten und lesenswerten Texten aus dem Web. Anregungen werden gerne per Mail entgegengenommen: linkeria [affenschwanz] textworker [punkt] ch

Über den Swiss Myth (51)

Dannie Jost hat heute am Blogcamp 2.0 mit ihrem Referat zum «Swiss Myth» zu sehr interessanten Gedanken über den «Swiss Myth», die Schweizer Politik und die Wahrnehmung der Welt anspornen können.

Die anschliessende Diskussion hat denn auch gezeigt, wie sehr sich eine Beschäftigung mit den Mythen lohnen kann. Und auch die Beschäftigung mit dem Begriff des Mythos, der Bildung von Mythen.

Dass der Umgang mit Mythen durchaus auch Kritik ermöglichen soll, die aus der Beschäftigung mit dem Thema «Mythos» herausgehen kann, zeigten die Reaktionen der Gesprächsteilnehmer. Ein kritisches Hinterfragen der Mythen ist nämlich insofern von Bedeutung, als wir unser Denken mit der Vereinnahmung durch Mythen auf eine gewisse Weise prägen, gar Weltanschauungen mit Mythen erklären.

Gerade wo es zu Erklärungen von Identität kommt, die auf Mythen gründen, ist äusserste Vorsicht geboten. Lustigerweise wurde der Tell-Mythos nicht erwähnt. Dies war wohl dem Thema zu verdanken, das Dannie Jost mit ihrer Schilderung zu den Krawallen in Bern klar in eine andere Richtung gelenkt hat.

Dass der Reichtum der Schweiz nicht auf den natürlichen Rohstoffen gründet, von denen die Schweiz wahrlich nicht allzu viele Vorkommnisse hat ausser Wasser und Gestein, wurde uns von Dannie schön vor Augen geführt. Dass der Reichtum der Schweiz davon abhängt, was die Menschen machen, wird auch durch die Metapher des «blue-collar workers» entwickelt: Corsins Hemd – ein typisches Arbeiterkleidungsstück – trägt das Namensschild «Hacker». Der schönste Beweis dafür, dass Leute, die sich mit Information auseinandersetzen, Informationsarbeiter sind.

Aber auch hier lohnt es sich noch, die unzähligen Fragen, die sich noch stellen, zu beantworten. Alles kommt zu seiner Zeit. Da wären zum Beispiel:

  • Wie entstehen Mythen?
  • Wie beeinflussen Mythen unser Denken?
  • Was leisten Mythen zur Identitätsbildung?
  • etc.