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Aber der Zug rollt doch noch (79)

Heute am Bahnhof: Es herrscht eine riesige Aufregung. Nein, diesmal nicht, weil der Strom ausgefallen wäre (wie am Tag zuvor), sondern – was einem Pendler oder einer Pendlerin gar nicht als bemerkenswert auffallen
würde – weil sich der Zug noch im Rollen befindet, währenddem sich die Türen öffnen.

Das Gespräch – leider nicht O-Ton, sondern ein aus dem Gedächtnis rekonstruiertes Transkript. Ich weiss, dass ich mich damit in Teufels Küche begebe, denn kein Gedächtnis kann ein Gespräch so gut in Erinnerung behalten, dass es dem tatsächlichen Gespräch entspricht; dies sei mir hier aber verziehen. Abgesehen vom inhaltlichen Dilemma der Gesprächswiedergabe stellt sich auch eine sprachliche Schwierigkeit: Meine Erinnerungen sind in einem Zürcher-Dialekt, obwohl sich die beiden Gesprächspartner in einem Thurgauer-Dialekt unterhielten.

Aber auch das wollen wir hier als Nebensache behandeln. Ausschlaggebend, auch für diesen Blog-Beitrag, ist das Faktum, dass das Gespräch etwas Alltägliches zum Extraordinären macht. Der Alltag wird dadurch spannender, nachdenklicher und bestimmt auch lebenswerter, denn «normal» geglaubte Strukturen werden aufgebrochen und hinterfragt.

Mädchen: Aber dä fahrt ja no.

Mutter: Ja, das schtimmt.

Mädchen: Dä Maa isch abär vorhär uusgschtigä und dä Zug isch no gfahrä.

Mutter: Aber nur ganz langsam, das isch dänn nid so schlimm.

Mädchen: Aber jetzt hät är ganz aghalte. Jetzt chömmer usschtige.

Dies der Kommentar einer jungen Zugfahrerin und ihrer Mutter, als die S8 aus der Richtung Frauenfeld kommend, bevor sie ausstieg und der Beobachter dieser Begebenheit sehnsüchtig darauf wartete, endlich aufs Trittbrett aufzuspringen.

Leider nicht ganz so spektakulär wie die Brüder in Indien auf den Darjeeling Limited aufgesprungen sind, dafür aber für eine umso kürzere Bahnfahrt, die ausser einigen «gut» riechenden Mitfahrenden, und dies sogar im Winter!, nicht wahnsinnig Spektakuläres oder Sinnliches zu Tage gefördert hat.

Oma erklärt Mehrklassengesellschaft im Zug (31)

Schon wieder (vgl. Opa erklärt SBB-Anzeigetafeln) so ein interessantes Gespräch aufgeschnappt. Zugfahren ist eben doch lustig! Und wenn ganz junge Menschen mit dem Zugfahren sozialisiert werden noch lustiger! Diesmal hat eine Oma die Aufgabe übernommen, mit ihrem Enkel einen Tagesausflug mit DarVida im Rucksack zu unternehmen. So oder ähnlich hat sich das Gespräch auf der Strecke Winterthur–Zürich in der S12 abgespielt. Ich entschuldige mich dafür, dass die richtigen Dialekte leider bei der Transkription verloren gegangen sind.

Enkel: Wieso häts det äne so wenig Lüt?Oma: Das isch äbe erschti Klass.Enkel: Wieso?Oma: Gsehsch das 1 det näbed de Türe?Enkel: Ah ja.Oma: Und lueg überall isch Nichtraucher (auf eines der unzähligen durchgestrichene-Zigarette-Piktogramme zeigend).

Ganz wenig später, immer noch auf der selben Strecke, dieselben Personen – die Begrüssung in der S12 ist noch nicht gekommen (und wird noch eine Weile nicht kommen).

Enkel: Simmer etzt schnäller als d’Autobahn?Oma: Ja.Enkel: Isch das det äne d’Autobahn?Oma: Nei.

Weil der Zug so schnell fährt, kommen wir doch noch an der Autobahn vorbei.

Oma: Log da die Pfiiler, das isch d’Autobahn.Enkel: Aber mängisch isch mer mit em Auto glich schneller, lueg.Oma: Ja, aber mit em Zug chunt mer nid in Stau, und au nid in Fiirabigvercher.Enkel: Und mer mues ken Parkplatz sueche.

Chuchichäschtli-Orakäl

Dank Tobi bin ich aufs Chochichästli-Orakel gestossen. Fast so lustig wie im Sprachatlas deutsche Schweiz kann man herausfinden, aus welcher Region der Dialekt stammt, den man spricht. Leider gibt es da keine Tonbandaufnahmen, aber für das Identifizieren der eigenen Identität reicht das Material gerade noch so knapp.Update: Jetzt lese ich in der FAQ, dass die Auswertung mit den Daten aus dem «Sprachatlas der deutschen Schweiz» gemacht wird.

Woher stammen die Daten, die für die Auswertung verwendet werden? Die Analyse basiert auf dem „Sprachatlas der deutschen Schweiz“ von R. Hotzenköcherle, einem achtbändigen Standardwerk der Schweizer Mundarten (A. Francke Verlag, Gerbergasse 48, 4001 Basel). Gewährsleute für Spezialfragen waren A. Kölbener und A. Jenal – vielen Dank!