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Fäden ab, Leder an. (58)

Während die unnötigen Fäden, die von der Entfernung gewisser Zähne zeugten, entfernt wurden und der Mund sich wieder wie eine wirkliche Öffnung zur Aufnahme lebensnotwendiger Objekte verhält, wartet ein anderer Teil meines Besitzes darauf, Fäden spendiert zu bekomen.

Die Rede ist von meiner heiss geliebten Tasche, schön zum Wochentag passend, leider aber an den Ecken der Blachen ausfransend und von der jahrelangen Transporttätigkeit zeugend. Zuerst im Einsatz bei den Helfern der Globalisierung, Waren schützend, die bereits einen langen Weg zurückgelegt haben, Stürmen auf dem offenen Meer standgehalten und selbst die strengen Kontrollen am Hafen Basels passiert.

Eben diese schützenden Blachen, sind zu diesem Zeitpunkt Opfer und gleichzeitig Objekt einer Revision. Nicht nur die ausfransenden Ecken der Blachen, auch die Schnallen des Gurtes wollen erneuert werden. Denn diese haben besonders gelitten unter dem Druck der Bücher und zahlreichen Strapazen des Velo-, Pendler- und Touristenlebens.

Kurzerhand musste ein Ersatz her. Ein Ersatz, der nicht wirklich ersetzt, nachdem auch schon provisorische Ersatzmöglichkeiten gefunden wurden: Durchsichtige Plastiksäcke, die den gläsernen Bürger zur Realität machen. Oder Taschen von Laptops, die gleichsam unansehlich wie praktisch sind und deshalb den Zugsalltag nicht überleben wollen. Den Dienst will die andere, sich in Revision befindende, Tasche nach erfolgtem Telefon und fachgerechter Abholung wieder aufnehmen, in reduziertem Ausmass, das versteht sich von selbst, und nur noch, wenn viele Bücher und stromfressende Bücher transportbedürftig werden. Sonst helfen ab jetzt Tanten und Onkel mit Luc dabei, die wichtigste Habe von A nach B zu bringen.

tasche_luc

Bild: © Aunts & Uncles

Mit Büchern ist es diesem Wunderding aus Leder auch richtig wohl ums Herz. Schliesslich durfte es heute schon einmal zuschauen dabei, wie ein bestelltes Büchlein vor lauter Blätterrascheln nicht mehr gefunden wurde. Aber verständlich ist es natürlich, wie hätte man auch dieses einzelne Büchlein unter den vielen anderen gelben mit der spezifischen RUB-Nummer finden sollen? Wegen des keifenden Ehepaars, das sich darin dem Leser zur Schau stellt und eigentlich genug laut hätte rufen können? In diesem Laden hatte es wohl zu viele keifende Ehepaare, die mitkommen wollten.

Es war ja gar nicht so dringend. Schliesslich tut es nur gut, noch ein bisschen länger allein unter dem Zauberberg begraben zu liegen. Und Joseph Roths Russlandreise wartet auch noch dieses Wochenende. Das keifende Ehepaar kann also warten, bis es genug laut schreit und sich genug dreist anlügt.