Schon das Beispiel Claude Cueni, der das Präventions-Computerspiel «Catch The Sperm» für das Bundesamt für Gesundheit erfunden hat, zeigt eine gewisse Parallele zwischen dem Erzählen und der Kreation eines Computerspiels. Nicht dass die Episoden von «Catch The Sperm» sich durch wahnsinnige Plots charakterisieren würden, aber sie haben eben Plots. Claude Cueni verdient auch Geld als Schriftsteller, dass die Plots (und vielleicht auch der Stil) da besser sind als bei «Catch The Sperm», will ich hoffen. Die Bücher sind meistens ziemlich wuchtig.
Neuerdings wird mit Martin Ganteföhr ein Beispiel eines Computerspiel-Designers vorgeführt, der sich auf die Kunst des Narrativen im Computerspiel versteht. Es werden regelrecht Geschichten erzählt, wenn man dem Bericht der Telepolis Glauben schenkt. Von traditionellen Game-Heften werden Spiele wie «Overclocked» allerdings nicht allzu positiv bewertet, da sie sich anscheinend zu sehr auf die technische Umsetzung eines Computerspiels fixieren.
Ganteföhr kommt von der strukturalistischen Literaturwissenschaft her und hat sich mit Mythen beschäftigt. Er sieht Computerspiele viel mehr in einem Kontext der Gesamtkultur als durch eine rein technische Brille. Er meint sogar, dass die fotorealistischen Charaktere dem Computerspiel nicht unbedingt zuträglich sei, schliesslich wolle der Spieler auch seine eigene Phantasie mit einbringen.
Mit der Vorstellungskraft und Phantasie hat wohl das narrative Computerspiel Parallelen zur Erzählung oder gar zum Text als solches: Der Rezipient muss sich aktiv betätigen, damit das Spiel bzw. die Erzählung fortschreiten kann. Dies sei auch gleich die Schwierigkeit, meint Ganteföhr im Telepolis-Interview: «Die Wirkung eines ernsten Spiels entfaltet sich oft erst nach Stunden, und während derer darf man den Spieler nicht verlieren.»