Ein gestürzter B. im Wald. Nein, es geht nicht etwa um die Bäume, die im Eschenbergwald gefällt werden, damit sie verheizt werden können. Die verheizten Topkader sind im Wald viel zahlreicher anzutreffen als rollende Bäume. Sie rollen mit ihren teuren Velos die tauenden Wege hinunter, damit die Kleider – irgendein synthetisches Fabrikat wohl – möglichst dreckig werden, und man zu sehen fähig ist, was sie angestellt haben. Manchmal auch im Status eines Gestürzten, einige haben das Glück, dass ihnen der Stuhl abgesägt wird, bevor es zum natürlichen Fall kommen würde. Der Sturz sei dann kontrollierter, wie man Förstern entlocken könnte, wenn man sie denn fragen würde.
Der Platz, den ein Baum nach seinem Sturz einnehmen wird, ist wohl schon vorbestimmt. Manch einer wird gehäckselt, damit eine Holzschnitzelheizung das Beste aus dem kränkelnden oder nicht mehr verwendbaren Objekt machen kann: Recycling, damit der Verwesungsprozess nicht eintritt.
Was aber macht der gefällte Topkader-Platzhirsch, nachdem ihm der Stuhl abgesägt worden, und er erst noch vom Bike geflogen ist? Häckseln und Schnitzelheizung für die fach- und sachgerechte Entsorgung, die erst noch umweltfreundliches Heizen und Wärme für einen ganzen Winter bedeutet? Das Leiden des Bikers wäre eindeutig (wenn nicht sogar eineindeutig) zu gross. Schliesslich hat er sich doch auch schon beim Velofahren schwere Schürfwunden zugezogen, die einer mühseligen Heilung bedürfen, die Passionsgeschichte, also die Geschichte seines Leidens, braucht nicht noch dramatisiert zu werden.
Das regionale Arbeitsvermittlungszentrum wird ihm eine Weile Geld für die Haushaltskasse zukommen lassen. Als Gegenleistung wird gute Vermittelbarkeit und eine bestimmte Anzahl Bewerbungen erwartet, ist ja ganz klar. Aber wie immer: Eile mit der dazugehörigen Weile.
Was soll er denn in seinen Bewerbungsbriefen schreiben? Etwas Originelles hätte er doch bei den Bewerbungsbriefen abgucken können, die er bei der Auswahl, als er noch Personal einstellen durfte, jeweils fein-säuberlich geprüft hatte. Bei vielen hat da bei den Hobbys gestanden: «Passionierter Biker, geht Risiken ein.» Das klingt doch originell, und zufällig trifft es auch auf den Topkader zu, auf den alle gewartet habe. Also, entschieden, das gehört auch in die Bewerbungsunterlagen rein.
Warum aber will die Passion kein Ende haben? Wer mit soviel Passion im Wald herumfährt, sich zum Baum machen lässt und erst noch nicht einmal von Schürfwunden zurückschreckt, sollte doch belohnt werden. Wo ist die Wucht geblieben, die man bekommt, wenn man einen riesigen Berg hinunterrollt?
Dummerweise – oder für den passionierten Workaholig: glücklicherweise – haben die beiden Passionen nicht mehr viel gemeinsam: Die Passion als Leidensgeschichte wurde direkt aus dem Lateinischen entlehnt, und das schon vor einigen Jahrhunderten, die Passion, welche die Leidenschaft meint, hingegen aus dem Französischen. Wer aber auch bei Leiden-schaft noch stutzig wird, dem geht es so wie dem Verfasser dieses Textes. Das Leiden steckt ja auch im deutschen Wort noch drin.
Die Leidenschaft ist für den Ersatz des französischen passion geschaffen worden, also als Ersatz für das Wort, das ein Gefühl eines bewegten Gemütszustandes beschreibt. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man wohl zur Annahme kommen, dass sich die Bedeutung gewandelt hat von der christlichen Passion, die oft auch als einzelner Begriff das Leiden Christi beschreibt. Das Deutsche war hier aber ausnahmsweise einmal nicht wahnsinnig kreativ. Unser passionierte Biker ist also – Gott sei Dank – eher eine Ausnahme als dass er die deutsche Wortgeschichte im bildhaften Sinne demonstrieren würde. Hier lohnt sich die Frage: «Wer hat’s erfunden?»