Am 14.7.2008 erschienen neue Gedanken zum Thema Zettelkasten: Der Karteikasten im digitalen Zeitalter.
Die einfachste Art, sich eine Gedächtnisstütze aufzubauen ist wohl diejenige mit dem guten alten Zettelkasten. So antiquiert einem das vorkommen mag, er hat gegenüber den Computerverwaltungssysteme einen vortrefflichen Vorteil: Die Zettel können so beschriftet werden wie man will.
Mit den Wundermitteln der modernen Computertechnik, Datenbanken und was auch immer man da noch kennt, hat man nämlich einen entscheidenden Nachteil: Die Verwaltungsprogramme lassen sich ohne Programmierkenntnisse meist nicht auf den eigenen Bedarf anpassen. Und wer kann schon von sich behaupten, dass er, bloss weil er Informationen zu verwalten hat, noch eine Programmiersprache lernen möchte oder sich gar mit den kompliziertesten Datenbankanwendung auseinandersetzen möchte?
Sich ein Archiv herzustellen mit den wichtigsten Sachen, die man ständig braucht oder die man in der Zukunft vielleicht einmal brauchen kann, geht mit den guten alten Papierzetteln noch einfacher als mit den unzähligen Datenbanksystemen, die auf dem Markt vorhanden sind. Ein grosser Teil der Programme ist gratis oder gar als OpenSource erhältlich und haben einen Vorteil: Braucht man sie für ein Zitat – und das braucht man ja meist elektronisch – kann per Copy Paste der Text eingefügt werden und gleich noch die Literaturangaben beigefügt werden.
Macht man das mit einem handschriftlichen Zettelarchiv, braucht dies ein bisschen mehr Zeit. Erstens braucht man händisch einen Index zu erstellen, in dem man sich Begriffe notiert, mit denen man ein Zitat irgendwann einmal in Verbindung bringen könnte. Zettel müssen konsequent in diesen Index eingetragen, sonst kann man das Exzerpieren gleich lassen, denn Zettel in einem Archiv, die nicht im Index enthalten sind, verlieren ihren Wert. Höchstens durch einen guten Zufall kommt man wieder zur Information, die man eigentlich gesucht hatte.
Die Karteisammlung, die mit dem Papiersystem immer wieder nach dem richtigen Eintrag abgesucht werden muss, hat nämlich – trotz der Langsamkeit dieses Vorgehens – einen Vorteil, den man nicht mehr missen will, sobald die Sammlung eine gewisse Grösse erreicht hat: Beim gemütlichen Suchen der Karte, auf der das erhoffte Zitat steckt, trifft man andere Karten an, die einen auf andere Gedanken führen können und die Recherche in einen breiten Rahmen einbetten.
Auf diese Weise wird auch der Weg der Suche wichtig, und es ist so, wie wenn man in einer Bibliothek über die Buchrücken streift, um das gesuchte Buch zu finden: Manchmal sieht man gleich noch einen weiteren spannenden Band, den man nach Hause mitnimmt, um gemütlich darin zu schmöckern, der dann die treffende Idee bringt. Wenn man nur den richtigen Titel gefunden hätte, wäre einem das Wesentliche nicht über den Weg gelaufen: Das nämlich, was auf den ersten Blick falsch geschienen hatte, dessen Wert man nicht von Anfang an einschätzen konnte.
Wer sich im Computer eine Datenbank anlegt, hat diese Effekt des Durchblätterns nicht mehr. Ein Effekt, der in den Gehirnrinden Verbindungen herstellt, die vielleicht nur durch das haptische Erlebnis ermöglicht wurde.
Ein Gedanke zu „Lieber Zettelkasten statt Tags“