Buchstabenmenschen

Manchmal trifft man auf Leute, die sich mit Buchstaben auskennen. An den unterschiedlichsten Orten und zu verschiedenen Zeiten haben diese mit dem zu tun, was wie ein Fluch scheint. Die Beherrschung der Buchstaben setzt einen grossen Aufwand voraus. Sobald man sie aber beherrscht, beherrschen sie einen selbst: Liest man sie, kann man sie nicht mehr nicht lesen.

Obwohl alle gleich in ihrem Fluch, oder sei es auch ein Segen, gefangen sind, die sich auf das Abenteuer eingelassen haben, gehen sie unterschiedlich mit dem Gegenstand des Buchstabens um.

Eine liest Zeitungen von vorne nach hinten und von hinten nach vorne. Sie meditiert das Weltgeschehen des vergangenen Tages, setzt ihr Puzzle zusammen, ist informiert. Man kann sie fragen, was passiert ist, wenn man die Zeit nicht gefunden hat, die letzten Zeitungen zu lesen, wenn man der Zeit der Informationen hinterherhinkt.

Ein Anderer schreibt Zeitungen, liest sie aber nicht. Die Buchstaben würden ihn wahnsinnig machen, meint er. Er fragt sich, was es ihm nütze, wenn er wisse, dass der Reissack, der berühmte, umgefallen sei, gleichzeitig aber nicht wisse, wie es seiner – für sein Leben wichtigeren – Nachbarin gehe.

Dies muss denn wohl auch der Grund dafür sein, dass er seine Ferien lesend im Lichthof der Universität seiner Heimatstadt verbringt, mit den Menschen von da und überall spricht.

Ein wiederum Anderer macht sich einen Buchsommer, der jeden Sommer zu einem speziellen Sommer macht: Ein spezieller literarischer Text, links nach rechts oder umgekehrt gelesen, die Briefe und Essays dazu verleihen der warmen Zeit einen unverwechselbaren Charakter.

2 Gedanken zu „Buchstabenmenschen

  1. Grossartig. Genau so sind sie, die Buchstabenmenschen: Kellerkinder und Helden. Verrückte und Übermenschen. Guter Gedanke.

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