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Semiotik: Weg aus dem Schilderwald

Noch zu Ostern verstand ich es eher als Witz, als ich sagte, dass sich in Italien innovative Semiotik entwickeln kann, weil niemand im Wald der Verkehrsschilder den richtigen Weg findet.

So sucht man den richtigen Eingang zum Bahnhof Termini, wenn man von der Seite von McDonald’s herkommt nur, wenn man zuerst durch einen Beauty-Laden hindurchgeht. Dies aber nicht unbedingt auf Anhieb, schliesslich will man den richtigen Weg nur dem eingeweihten offenbaren.

Chaos auf den Strassen Roms (und Fussgänger, die vor den Vatikanischen Museen in der Reihe stehen)
Chaos auf den Strassen Roms (und Fussgänger, die vor den Vatikanischen Museen in der Reihe stehen)

Mit etwas mehr Ernst sehe ich diese Sache nun, da ich das Einleitungskapitel zu Umberto Ecos «Eine Semiotik und Philosophie der Sprache» lese. Zwar musste ich auf den ersten Blick laut loslachen, aber die Erkenntnis beruhigt gleichzeitig wie sie beunruhigt: Auch Geisteswissenschaften können einen direkten Nutzen für den Endverbraucher haben.

Wo die Naturwissenschaften nicht nur rein technologische Zwecke, sondern auch manipulative Interessen haben: «Ebenso [wie die Kenntnis der Anatomie die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern kann, (Anm. C.N.)] kann die Beschreibung der inneren Logik der Verkehrszeichen einer öffentlichen Behörde Hinweise dafür geben, wie sie die Praxis der Straßenbeschilderung verbessern kann.» (S. 18)

Eines aber kann doch beruhigen: Eine solche Verbesserung der Umstände entsteht nicht als automatisches Nebenprodukt der wissenschaftlichen Forschung, sondern aus freier Entscheidung wie gleich darauf im Buch verhandelt wird.

Bibliografische Angaben: Eco, Umberto: Semiotik und Philosophie der Sprache, Fink, 1985 (= Supplemente 4).

«Was die Remer fürn Schmarrn zamenbaut habn» (121)

Wenn die Römer wüssten, wie die Menschen heute auf ihrem Forum Romanum herumlaufen, würden sie sich wohl im Grab umdrehen. Hier lästern sie über die Praktiken, die in den Vesta-Tempeln an der Tagesordnung standen, da macht sich Unverständnis für die riesigen Tore und Säulen breit.

Die gleichen Menschen, die ihr Unverständnis kund tun, überlegen sich mit Aussprüchen wie «Schau mal, was die Remer fürn Schmarrn zamenbaut habn» nicht, was sich die Menschen in zweitausend Jahren darüber denken, was wir im weltweiten Netz angestellt haben.

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Nicht dass dann ein Archäologe mit diesen tollen Archäologenkleidern noch irgendwelche Datengräber ausgraben könnte – dafür sind die Bits und Bytes dann wohl doch zu wenig fest und zu sehr von Magneten abhängig – aber wer schon Eintritt bezahlt, um das Forum Romanum zu besichtigen, könnte doch wenigstens ein wenig Achtung vor der Kultur zeigen, die Bauwerke hervorgebracht hat, die heute noch zu sehen sind. Niemand mag bestreiten, dass von einigen Sachen bloss Steinhaufen zu sehen sind, aber auch diese zeigen die Sorgfalt und Mühe, mit der diese einst errichtet und aufgeschichtet wurden.

Für digitale Fotografien sind die Steinhaufen dann doch noch gute genug, denn schliesslich – so könnte man meinen – geht die Repräsentation über die Jahrtausende hinweg: Die Römer, oder besser gesagt, diejenigen, die es sich leisten konnten, liessen sich Prachtsbauten errichten, mit denen sie ihre Macht repräsentieren liessen. Der Tourist will seinen Daheimgebliebenen wissen lassen, wo er war: Das Beweisfoto als Repräsentation seines Interesses an der Kultur, die er Steinhaufen nennt.

Was die Archäologen von morgen – beziehungsweise die Touristen von morgen – sagen werden, wenn sie dereinst die Papiere der heute lebenden Römer ausgraben werden, bleibt nur zu vermuten. Ein Beweisfoto hierzu:

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