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Wordeln für bessere Texte

Wordle macht schöne Tag-Clouds. Es fasst mit seinen Wolken aber auch wichtige bzw. häufige Begriffe aus Texten heraus und stellt sie visuell dar. Das habe ich mit dem Stechlin etwa gemacht, der so unglaublich überblickbar wirkt. Nach diesem Wordle kommen die Wörter ja oder immer relativ häufig vor.

Der Stechlin dargestellt von Wordle

Dies brachte mich auf die Idee, Seminararbeiten zur Überabeitung zu wordeln: Ich kopierte den gesamten Text einer Seminarbeit in Wordle hinein, das mir dann schnell sehr häufige Wörter zeigte. Interessanterweise war es nicht Terminologie, die gehäuft vorkam, sondern Wörter wie zeigen oder sich zeigen.

Mit dieser Liste häufig vorkommender Wörtern lässt sich nun gut nach dem Stilprinzip variatio delectat vorgehen. Die sehr häufig vorkommenden Wörter sucht man in der Textverarbeitung und markiert sie farblich oder typografisch. Ausgedruckt (aber auch am Bildschirm) eruiert man dann die Häufungen, erschrickt über sich selbst und die eigene Schreibe. In einem zweiten Schritt lassen sich meistens treffendere Wörter finden, viele lassen sich aber auch einfach streichen.

Schreibmaschinenmenschen

FokussiertDen Fokusmodus habe ich lange vermisst. Erst vor kurzem habe ich ihn auf dem Papier wiedergefunden: Papier schluckt alles und lenkt mit gar nichts ab, wenn noch nichts drauf steht. Im Computer drin gibts so viel Ablenkung: Aufsätze, die noch nicht gelesen sind, Datenbanken, die Abfragen schlucken wollen, das Internet, das Beschäftigung braucht. Die Links sind da, um beklickt zu werden, sonst schöpft man nicht das ganze Lesbarkeitspotenzial aus.

So verrinnt Stunde um Stunde, ganz unproduktiv produktiv genutzt, in denen man schon Texte konstruiert, indem man sie nämlich liest, aber gleichzeitig keine Texte konstruiert, indem man keine schreibt, weil man vor dem Schreiben doch immer noch etwas und noch etwas lesen sollte. So sitzt man dann stundenlang vor dem Schirm, lähmt sich selbst und klagt am Ende über Nackenschmerzen und Müdigkeit, die davon herrührt, dass nichts Lesbares zustande kommt.

Da waren die Schreibmaschinenleute wie gesagt noch produktiver. Ihnen war klar, dass erst etwas auf dem Papier steht, wenn etwas auf dem Papier steht. Nur bei uns steht schon etwas auf dem Schirm, wenn eigentlich und unvoreingenommen besehen noch nichts da steht.

Die Informationsarchitekten haben sich gesagt, dass wir alle wieder Schreibmaschinenleute werden sollen. Sie haben eine Software gebastelt, mit der man alles wegmachen kann, ausser den Text, den man gerade schreiben will. Sie haben sich richtig Mühe gegeben und etwas Tolles geschaffen, mit dem man wieder lineare Texte schreiben kann, die man sich vorher überlegt hat, oder die im Schreiben entstehen, weil schreiben nicht sich ablenken heisst. Fokussiert ist nur der eine Satz, an dem man gerade schreibt, die anderen sind halb weg, nicht dass man immer wieder zurückgeht und ändert und nochmals ändert, bloss weil man das kann.

Text über Text über Text

Just in der Woche, nachdem die letzte Schreibmaschinenfabrik in Indien schloss, waren wir im Museum. Unglaublich, diese vielen Modelle, die es zu bestaunen gab: Hermes und auch die Baby war da, Kugelköpfe und anderes vormodernes Zeugs. Und ein Mann mit Leidenschaften.

Er veranstalte Wettbewerbe auf mechanischen Schreibmaschinen. Er hat mich eingeladen, da auch mitzumachen, ich hätte ein bisschen Talent, auf diesen alten Dingern schnell zu schreiben. Es klapperte auch, und ich konnte verstehen, weshalb wieder auf Schreibmaschine umsteigt, wer Text in seiner Materialität liebt.

Es klopft, wenn ich auf die Taste haue, der Papierwagen verschiebt sich um einen Buchstaben nach links und sobald ich die Zeile vollgeschrieben habe, muss ich die linke Hand von der Tastatur nehmen, den Zeilenschalter betätigen und den Wagen nach rechts schieben. Eine grandiose Erfindung. Spürst du den Text?

Manchmal aber auch nicht so: Für den computergewandten Schreiber, macht sich doch das mechanische Manko bemerkbar: Immer wieder kommen sich die Typen in die Quere, weil die Computergewohnheit ganze Wörter schnell schreiben lässt und nicht nur einzelne Buchstaben. Die Bewegungsabläufe sind viel mehr vom Wort oder gar vom Satz her gedacht als bei diesem mechanischen Ding.

Wofür die Schreibmaschinenfetischisten ihre Maschine aber lieben, das ist wohl die Analogität, die Linearität und die Singularität. Denn ja, es ist so etwas richtig Analoges, an dem man die rohe Gewalt ausleben kann (Rohkost soll gesund sein), manchmal spielt die Maschine sogar Gegner: Nämlich dann, wenn man sich die Finger so richtig schön zwischen den Tasten einklemmt.

Aber Konzentration aufs Wesentliche: Kein Schirm, der flackert oder konkurrenzierende Buchstaben in die Augen brennt. Auf dem Schreibtisch steht allein die Schreibmaschine mit eingespanntem Papier und zwingt einen zu Linearität. Nicht dass nicht die Softwareentwickler darauf reagiert und Programme entwickelt hätten, nein, bei der Schreibmaschine schreibt man nur in der einen Linie, in der man eben gerade schreibt. Einfach so kurz ein Wort verschieben oder am Ende einer Zeile weiter oben etwas einfügen, das geht nicht. Es gehört an der Schreibmaschine zur grössten Kunst, wieder auf richtiger Zeilenhöhe einzufädeln, wenn man einmal beschlossen hat zu wechseln.

Statt Softwareupdates gibt es bei der Maschine neue Farbbänder, oder wenn man so ein IBM-Ding mit Kugelkopf ausgesucht hat, auch neue Köpfe mit anderen Schriften. Und Papier, da muss man dauernd updaten, sonst schreibt man Text über Text über Text.

Und zur Singularität? Ja, das ist es: Das Dokument existiert genau ein Mal, nicht in Tausend Ausdrucken. Den Text gibts auf Papier mit dieser Tinte durchs Band aufs Blatt geschlagen. Aber auch da begeistert die Trickkiste: Mit Durchschlagpapier kann man gleichzeitig mehrere Blätter beschreiben.

Linkeria #35: Sammlungen (Woche 27, 2010)

  • Bookshelf Porn: Die Welt in Büchergestellen. «Dear people who read Bookshelf Porn, I am sure you are all smart, super good-looking, talented, funny and you probably smell nice too.» [via swissmiss]
  • meus: moments. pictures. attempts
  • Heimweh – Der Quelltext ist meine Oberfläche: ben_ denkt seine Überlegungen weg vom CMS hin zur eigenen Ordnung mit richtigen selbstgestrickten HTML-Dateien weiter. Wichtige Gedanken zur Nachhaltigkeit von Daten.

Jeden Samstag 3 Links und Kürzestzusammenfassungen zu interessanten, visionären, relevanten und lesenswerten Texten aus dem Web. Anregungen werden gerne per Mail entgegengenommen: linkeria [affenschwanz] textworker [punkt] ch

Seichenprobleme

Diese Zeichenprobleme. Es hat niemand behauptet, dass Zeichen an sich unproblematisch seien; nur manchmal würde man sich gerne der Illusion hingeben, weil sie einem das Leben erleichtern würde, solange man mit Zeichen zu tun hat. Nun gibt es diese Vorgabe von 60’000 und ich fixiere mich so gerne daran, kontrolliere abends den Zeichenzähler und freue mich, wenn sich wieder einige Zeichen mehr angesammelt haben in dieser zweitletzten Arbeite, die noch ohne Diplom geschrieben werden muss.

Zum Glück erinnern mich heute aber Textilinteressierte daran, dass es gar nicht so sehr auf die Zeichen darauf ankommt. Sie ergeben Muster, die schön anzuschauen sind, und um die gehe es. Ich muss mich mehr auf die Muster, auf die Argumente konzentrieren als auf die Zeichenzahl. Zum achtzehnten Geburtstag ihrer Tochter, erzählt die Katalogisiererin von Textilien, hätte sie alle Freundinnen und Freunde einen Stoff mitbringen lassen und die dann aufgehängt. «Mindestens einen Meter, damit man daraus etwas machen kann.» Auf einem war eine Sarrasine drauf, Aristocholia longa.

Warum also beim Schreiben nicht viel mehr von diesen Mustern ausgehen, die Fäden schlagen und in die richtige Form bringen? Jede Farbe am richtigen Ort, gut vernähen, da wo es sich gehört und dann, erst zum Schluss, abschneiden nach Metermass? Dann sollten diese Sechzigtausend, von denen Vierzigtausend hoffentlich schon geschrieben sind, auch zu schaffen sein.