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Der Begriff Nachhaltigkeit

Der grosse Begriff der Nachhaltigkeit wird heute in einem Kommentar auf NZZ Online endlich mal wieder etwas differenzierter angeschaut. Keine Generalkritik am Begriff, der schwammig sei und ohnehin nichts bezeichne, wie das Begriffskritiker gerne tun.

Wen allerdings der Begriff interessiert, sollte Ulrich Grobers Buch: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit lesen. Eine sehr spannende Kulturgeschichte des Begriffs!

Linkeria #41: Markdown Blogs

In einer Zeit, in der alle in Datenbanken erfasst werden, gibt es eine neue Bewegung im Netz. Alle die ihr angehören möchten wieder lieber mit Dateien als mit Datenbanken arbeiten. Sie möchten die Kontrolle darüber haben, was mit ihren Daten passiert. Und viele möchten ihre Texte mit Markdown auszeichnen.

  • Konstatin hat mit Blogracer ein PHP-Skript geschrieben, das aus Markdown-Dateien einen Blog zusammenzimmert.
  • ben_ macht sich schon lange darüber Gedanken und hat mit einem ausführlichen Beitrag die Architektur eines CMS skizziert, das auf XML-Basis die Auslieferung der Homepage für verschiedene Zwecke ermöglicht.
  • Marcel denkt darüber nach, zu Scriptogram zu wechseln. Vorteile, die er sieht: Man konzentriert sich viel mehr auf die Texte.

Linkeria – 3 Links und Kürzestzusammenfassungen zu interessanten, visionären, relevanten und lesenswerten Texten und Internetseiten in unregelmässiger Folge.

Handpuppenlachen

Mit der Lektüre von Jonathan Safran Foers Eating Animals kommen einem die eigenen Tiergeschichten in den Sinn.[1]

Wir lachten über die Handpuppe, weil sie sagte, die Milch komme von der Kuh oder vom Bauernhof und nicht aus dem Laden. Wir haben so gelacht, weil wir gleichzeitig die weidenden Kühe gesehen haben.

Natürlich auch, weil wir die Erfahrungen vom Arbeiten auf dem Bauernhof gemacht haben. Die haben es da schon schön, haben wir damals gedacht, die Tiere. Die bekommen jeden Tag frisches Stroh eingestreut. Die kleinsten bekommen Milch, die grösseren eine Mischung, die man extra für sie herstellt. Wie spannend das war, auf dem Futtermischwagen mitzufahren: Da stellten wir ein für welche Box Futter gemischt werden soll. Dann fuhren wir zum Grassilo, wo es immer so eigenartig roch und wo es diese Gefahrentafeln gab. Dazu kam dann Mais, dann irgendein Pulver, Ersatz für irgendetwas, von dem wir nicht so genau wussten, was es eigentlich war.

Sobald die Ladung das Gewicht erreichte, piepste es. Dann begann die Mischerei. Alles musste eine Weile gemischt werden, damit es gleichmässig verteilt war, wie man ein Müesli beim Frühstück mischt. Wir fuhren dann mit der Maschine in den Stall hoch fuhren zur Box, die wir zuvor eingestellt hatten. Alle Boxen lagen an einer Reihe, die schwersten Munis kamen zuerst, die leichtesten zuletzt. Wir fuhren mit diesem Wägelchen hinein und entluden es. Wir beneideten die Tiere nicht, wie sie den ganzen Tag in dieser Box und auf dem kleinen Platz da draussen herumstehen müssen, bis sie ihr Wunschgewicht erreicht haben.

Wir freuten uns über die Schweinchen, die sich am Schulweg im Dreck suhlten. Manchmal wollten wir tauschen: Löcher graben, sich einbuddeln und den ganzen Tag faulenzen. Das kleine Schweinchenparadies. Nur wenn sie wieder auf die Waage mussten, fuhren wir schnell am Gehege vorbei. Da quietschten sie so unangenehm. Und wir waren so unheimlich aufgeregt. Wenn wir wieder am Gehege vorbeikamen, hatten alle farbige Markierungen. Nicht alle die gleichen: Die einen hatten einen gelben Strich, andere einen schwarzen. Und wenn wir dann nochmals an ihnen vorbeifuhren, waren sie weg.

Den Bezug zur Milch machten wir. Die kommt aus den Kühen raus, damit sie ihre Kälber tränken können. So wie uns erzählt wird, hätten wir von der Mutter getrunken. Darum lachten wir auch so, als sich die Bauchrednerpuppe über die Stadtkinder lustig machte, die nichts davon wissen sollen, was Milch ist. Sie haben doch auch mal so getrunken. Dass diese Kühe jedes Jahr ein Kalb gebären müssen, wussten aber auch wir nicht. Wir wussten nicht, dass Milch nicht einfach so fliesst, sondern etwas mit Hormonen zu tun hat. Oder wohin die Schweinchen fuhren, wenn sie plötzlich nicht mehr da waren. Oder was mit den Munis passierte, wenn sie verladen wurden.

 


[1] Safran Foer, Jonathan: Eating Animals. 2010.

Rezensionen und Interviews zu Jonathan Safran Foers: Eating Animals

Rezensionen und Interviews zu Jonathan Safran Foers Eating Animals

Bibliothekstypen

In letzter Zeit bin ich oft in Bibliotheken. Die Angestellten haben alle ihre eigenen Eigenschaften: Sie hören in Magazin unter dem Boden Musik, wundern sich über Besucher, die ihre Jacke übergezogen behalten, bedanken sich für Meldungen, wundern sich über die Ignoranz ihrer Besucher. Und sie sind vor allem resistent gegen den Geruch der Bücher. Mit einem gewissen Alter entwickeln die Bücher nämlich ein Eigenleben. Das lässt einen die Finger jucken, sodass man die Texte ganz schnell einscannt, den Papierstaub vom Glas wischt und die Bücher zurückbringt.

Wenn ich in einer Bibliothek arbeiten würde, würde ich mit Listen auseinandersetzen. Ich würde mir anschauen, welche Bücher jemand ausgeliehen hat. Ich würde mir die Kombinationen von Büchern anschauen. Hinter jeder Liste ein Mensch. Ganz diskret würde ich dann wissen, dass jemand sich intensiv mit Metaphern auseinandersetzt. Aus den Listen würden Figuren entstehen, die ich mir ausserhalb der Bibliothek vorstellen würde, wie sie ihre Büchersäcke nach Hause oder in ihr Büro schleppen. Wie sie sich über die Bücher beugen oder ob sie sie in eine Ecke stellen, um sie ungelesen wieder zurückzubringen.

Sähe ich jemanden wieder, würde ich mich freuen: Das ist der Metaphernjunkie, das die Barockmystikerin, der Filmexperte, die Psychoanalytikerin, der Bachtinleser, die Theologin, der Eichendorffliebhaber, der Bernhardkenner, die Gärtnerin, der Paradiesler, der Realist, die Lexikografin, die Handschriftenfanatikerin, die Naturwissenschaftlerin, der Ökonom. Sie wären da und gleich wieder weg, mit diesem Strahlen auf dem Gesicht, wenn sie etwas gefunden haben. Und mit der frustrierten Haltung, wenn sie Bücher schleppen und wieder zurückbringen.