Alle Beiträge von Claudio

Linkeria #11: Diversität der Geschichten (Woche 46, 2009)

  • Der letzte Zeuge: Interview mit Nobelpreisträger Imre Kertész. Über Bücher, das Leben und das Schreiben am Tod.
  • The Danger of a Single Story: Chimamanda Adichie über die Gefahren einer einzelnen Geschichte. «The problem of stereotypes is not that they are untrue but that they are uncompleted. They make one story become the only story.  […] A single story emphasizes how we are different rather than how we are similar.» «Stories matter. Many stories matter.»
  • Scratch: Programming for all: Die «Digital Natives» gehen kinderleicht mit digitalen Inhalten um: Sie benützen das Web 2.0: «As we see it, digital fluency requires not just the ability to chat, browse, and interact but also the ability to design, create, and invent with new media […]. «Digital Fluency» müsste auch das Programmieren, das Erzählen eigener Computer-Geschichten beinhalten.[via beat.doebe.li]

Linkeria: Jeden Samstag 3 Links und Kürzestzusammenfassungen zu interessanten, visionären, relevanten und lesenswerten Texten aus dem Web. Anregungen werden gerne per Mail entgegengenommen: linkeria [affenschwanz] textworker [punkt] ch

Kurzbrot

«Sie schreibt Bücher, die sich gut verkaufen, und sie bäckt Shortbreads», argumentierte sie. «Ich mag Shortbreads: Butter, Mehl, Salz und Zucker», lautete sein Urteil. Es sei die Komposition, die fessle: «Um fünf vor halb zehn läuft es noch auf die Katastrophe zu, das musst du so gut planen können. Überhaupt, schau dir die Dramaturgie an: Um viertel vor zehn ist alles wieder gut, weil sich die Katastrophe zum Missverständnis wendet.» Er hätte lieber die Katastrophe behalten, sie verteidigte alles mit der Wendung: «So passt es ins Leben, Anderes wollen wir nicht sehen.»

So haben wir Kitsch und andere Qualitäten unterschieden. Draussen regnete es, im Backofen brutzelten Marroni vor sich hin, ganz wie man sich einen Herbstabend vorstellt. Wenn wir im Film gewesen wären, hätten wir Sherry getrunken statt Caipirinha. Und wir hätten über die Nachbarn gesprochen statt uns diese Kurzgeschichte über den Stromausfall vorzulesen. Wir hatten den Film in uns und assen dazu dieses Butter-Mehl-Salz-Zucker-Gebäck.

Dritte Potenz der Seele

Jeder muss wissen, was er lesen soll, in welcher Reihenfolge er lesen soll und in welcher Weise er lesen soll. Dies ist die Idee des Augustinermönchs Hugo von Sankt Viktor, während er sein Didascalicon schreibt. Im ersten Kapitel macht sich Hugo Gedanken über die Artes, die Wissenschaften: Was gehört zu den Artes, weshalb beschäftigt sich der Mensch mit ihnen? Die Überlegungen, die Hugo in der Zusammenstellung seiner Leseanleitung anstellt, sind äusserst weitläufig und spannend.

Man muss sich beispielsweise Gedanken über die menschliche Seele machen. Hugo teilt die Seele zu diesem Zweck in drei Potenzen ein: eine, die dem Körper das Leben zufügt, eine, die zur Unterscheidung durch die Sinneswahrnehmung befähigt und eine dritte, die sich auf die Kraft des Geistes und der Vernunft stützt. Und genau diese dritte Potenz unterscheidet den Menschen von Gräsern, die nur mit der ersten Potenz bedacht sind, und von Lebewesen, die mit Sinneswahrnehmung ausgestattet sind:

«Diese Potenz steht nur dem Menschengeschlecht allein zur Verfügung. Sie nimmt nicht nur vollkommene und wohlbegründete Sinneseindrücke und Vorstellungen auf, sondern erklärt und bestätigt auch durch einen vollgültigen Erkenntnisakt, was das Vorstellungsvermögen dargeboten hat. Dieser göttlichen Natur genügt es daher, wie gesagt, nicht, das zu erkennen, was sich ihren Sinnen darbietet, sondern indem sie aus Sinneseindrücken Vorstellungen bildet, ist sie auch in der Lage, gegenwärtig nicht vorhandenen Dingen Namen zu geben, und was sie durch ihr Erkenntnisvermögen erfaßt, das enthüllt sie durch die Benennung mit Wörtern. Denn auch das ist dieser Natur eigen, daß sie mit Hilfe des Bekannten das Unbekannte erforscht, und von allem will sie nicht nur wissen, ob es sei, sondern auch was, wie beschaffen und sogar warum es sei.» (S. 121)

Wie würde ein Hugo von heute erklären, dass die dritte Qualität dieser Natur abhanden gekommen ist?

Literatur:

Hugo von Sankt Viktor: Didascalicon de studio legendi. Studienbuch, lateinisch-deutsch. Hg. von Thilo Offergeld, Freiburg (Breisgau) [u.a.]: Herder 1997 (Fontes Christiani 27) mit Abdruck des von C.H. Buttimer edierten lateinischen Textes, Washington 1939 (= The University of America, Studies in Medieval and Renaissance Latin 10).

Linkeria #9: Phaidros revisited? (Woche 44, 2009)

  • Das Gehirn auf Standby: Die Erinnerungsfähigkeit unserer Generation schwindet. David Bauers Plädoyer, wieder bewusster zu entscheiden, wann wir die technischen Helferlein und Apps auf dem iPhone benutzen. Phaidros revisited?
  • Innerer Monolog eines E-Books: Umberto Eco macht sich in der FAZ Gedanken darüber, wie sich ein E-Book fühlt, wenn es Texte einverleibt bekommt (und wie sich ein Papierbuch fühlen mag, das sich mit einem Text begnügen soll).
  • Electronic Books: Notiz zu «About Real Books» in der Working Library. Über die Kindheit des elektronischen Buchs und warum man Blätter immer noch wegen des Blätterns liebt.

Linkeria: Jeden Samstag 3 Links und Kürzestzusammenfassungen zu interessanten, visionären, relevanten und lesenswerten Texten aus dem Web. Anregungen werden gerne per Mail entgegengenommen: linkeria [affenschwanz] textworker [punkt] ch