So ging es mir gestern mit Miles Davis: Time After Time und nochmals und nochmals. Bei jedem Hören entdeckt man eine neue Schattierung der Trompetenklänge, die so viel melancholischer zum Ohr kommen als der Gesang von Cindy Lauper. «Liegt dies daran, dass die Trompete gedämpft ist? Oder daran, dass man biografistisch Musik hört?»
Solche Fragen sind dermassen unergründlich, dass ich mir immer wieder diese gedämpfte Trompetenstimme angehört habe. Solche Hörexperimente graben immer weiter: immer weiter in den Untergrund. Wenn man nicht mehr graben will, kommt man aus dem eigenen Loch nicht mehr raus und ist trotz er-innerndem Hören immer noch nicht weiter als am Anfang: Da war die Entscheidung ganz subjektiv: «Die Davis’sche Variante gefällt mir besser.». Und dies im Wissen darum, dass sie nicht nur Original, sondern auch «bloss Interpretation» ist.
risk free life: Gedanken von Keri Smith über die Recherchesucht seit dem Internet: Kein gekauftes Buch ohne weitreichende Überprüfung der Kritiken im Internet. Und der Beginn eines Experiments: Ein recherchefreier Monat.
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Der Automat wird bedient in Ankara. Man kommt am Bahnhof an und möchte sein Gepäck einschliessen, die wenigen Leute, die schon da sind, zeigen einem, dass es einen Automaten für die Bagaj gibt. Es ist tatsächlich da, dieses Gerät, doch es nimmt kein Geld an und kein Gepäck.
Das bestellte breakfast beweist, dass türkisches Morgenessen nicht nur in Istanbul aus zu einem Fladen gebackenen Brot, einem Stück Gurke, Oliven und Käse besteht, sondern auch in Ankara, der Stadt, die so sehr an Mustafa Kemal aka Atatürk erinnert.
An diesem Bahnhof ist auch das ursprüngliche, aus politischen Gründen aber vertagte Reiseziel, Tahran, angeschrieben. Der Transasia-Express fährt um 11 Uhr aus Ankara ab. Wir sehen ihn nicht mehr; der den Automaten bedient, hat schon früher seine Geschäftsstunde und gibt den Code in die Maschine ein, mit dem sie unser Gepäck lagert.
Ankara von oben
Ohne Stadtplan orientiert man sich auch in Ankara nur schwer, so wie man sich in Florenz schlecht mit einem Plan von Venedig die Kirchen sucht, für die man eigentlich den Zwischenhalt eingelegt hat. Das Atatürk-Mausoleum und eine Festung sind auf den Schildern für Touristen angegeben, aber die Festung auf einem der Hügel ist von Stacheldraht umzäunt, wahrscheinlich auch hier zur falschen Zeit am richtigen Ort. Dafür ist das Bild, das sich einem von diesem Hügel oben bietet, wunderbar: Man erkennt, wie die Stadt in die Hügel hineingebaut ist, sieht unterschiedliche Häuserstile: Wohnblocks und Hütten mit Blechdächern, Einkaufshäuser und Imbissstände, Steinmoscheen im Aufbau und Minarette aus Wellblech. Blech glänzt.
Roofs of Ankara
Auf dem Weg zum Atatürk-Mausoleum, den ich nicht so direkt nehme, wie man ihn nehmen könnte, komme ich nahe des Otogars an einem Viertel mit Selbstwerker-Läden vorbei. Ich weiss jetzt, wo ich in Ankara Toilettenschüsseln, Bodenplatten oder Küchen bekommen könnte, wenn ich solche Dinge einmal benötigen sollte. Statt zum Mausoleum komme ich nun aber in ein Ministerium, in dem eine nette Literaturwissenschaftlerin arbeitet, die sich ganz erstaunt über die Reisepläne zeigt und ein Taxi bestellt, das mich zum Mausoleum bringen soll.
Ich stelle mir vor, wie idyllisch dieser Ort wohl sein müsste, wenn die Sonne nicht so unvermittelt herabstrahlen würde. Aber auch so macht einen Vieles staunen: Die Decke, die mit Goldmosaik verziert ist, der polierte Marmor, auf dem Boden ebenso glänzig wie an den Wänden, und die Angehörigen der türkischen Armee, die in anachronistischer Verkleidung das Nationalheiligtum beschützen.
Das Museum zeigt Panoptika von Schlachten, in denen tapfere Türken die Vorarbeit für die heutige Türkei geleistet haben, den persönlichen Wagenpark Atatürks, die Privatbibliothek des Reformers und es zeigt nicht zuletzt Osmanen, die zu Türken werden: Sie bekommen ein neues Alphabet, die Sprache wird vereinheitlicht, türkische Mythen werden gesammelt und die Grenzen zum Ausland klar gezogen.
Der Bediener des Automaten ist gerade beim Einkauf, da wir am Bahnhof unsere Rücksäcke abholen wollen, die Toiletten-Aufsicht meint, er komme bald zurück. Die türkische Errungenschaft des Tages ist Hürriyet, ganz nach dem Vorbild der französischen Liberté.
«Wir wollen fahren, bis wir 90 sind!»: Interview mit einem Ehepaar, das seit 25 Jahren auf Rädern ist. Zuerst lebten sie von den Zinsen des Ersparten, dann vom Ersparten und einem unverhofften Erbe, jetzt von der Rente (mit der sie in der Schweiz Sozialfälle wären).
Vier politische Variationen auf Jorge Luis Borges: Rüdiger Wischenbarts Rede zum österreichischen Bibliothekarstag 2009: Über die Zukunft der Bibliothek und die Vereinfachung des Zugangs zum Wissen mit der digitalen Revolution.
Gefangen im Paradies: Ein Essay über den Inselkoller und gleichzeitig über Grenzerfahrungen, die Welt und das Paradies, das sich der Mensch gerne als Insel vorstellt. «Der Inselkoller ist kein universales Phänomen, er ist ein lokales, ein sehr lokales. Je kleiner die Welt, desto wilder tritt er auf.» (Leider nur teilweise online)
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Die Securitate ist noch im Dienst: Erschütternder Bericht Herta Müllers, der Literaturnobelpreisträgerin dieses Jahres, über die Securitate (Ceauşescus Geheimdienst).
Ein Text ist ein Universum: Miriam Meckels Rede zur Verleihung des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises. Gedanken zu Ebooks, Lesen und Texten. Ausserdem über den digitalen Graben: Lücken, die zwischen digital natives, digital immigrants und digital homeless entstehen.
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