Radio im Ehrenamt (75)

Mit byte.fm geht in einer halben Stunde ein Radio auf Sendung, das Musik entdecken will. Nicht wie last.fm, wo der Hörer selbst aktiv werden muss, um Musik im gewünschten Stil zu bekommen und gleichzeitig Neues zu entdecken, sondern als moderierte Sendung.

Im Interview mit der Zeit verrät Ruben Jonas Schnell, dass die Moderatoren vorerst ehrenamtlich mitarbeiten werden.

Das Radio will auch Musik entdecken: Sendungen mit klingenden Namen wie «Was ist Musik?», «Zimmer 436», «Tropeninstitut» wird – so das Ziel – das Hörspektrum erweitert. Dann freuen wir uns doch schon mal auf ein engagiertes Webradio. Auf einen guten Start!

Momentan präsentiert sich das Radio im Internet noch folgendermassen:

byte.fm vor dem Start

Update:

Das Radio ist jetzt online. Wie gerade im Blog vermeldet, gibt es noch ein paar servertechnische Probleme. Wenn das nur gut geht, ein Internetradio, bei dem die Server nicht machen, was die Sendeleiter wollen?

Update vom Update:

Jetzt ist alles wieder da. Und man kann wirklich etwas hören, auch wenn nur Bit um Bit, Byte um Byte vom Server auf die Boxen tröpfeln. Was ich bis jetzt gehört habe, klingt ziemlich spannend.

Blogparade: Lektüre auf dem Nachttisch (74)

Blogparaden zur Literatur gibt es noch fast keine. Über Technisches, Metathemen zu Blogs und Politik jedoch massenweise. Liegt es daran, dass sich niemand an einer solchen Parade über Literatur beteiligen würde?
Lasst es uns testen! Wir wollen herausfinden, was auf den Nachttischen liegt.

  1. Wie viele Bücher warten darauf, endlich fertig gelesen zu werden?
  2. Was schätzt du an den Büchern, die auf dem Nachttischchen liegen?
  3. Welche der Bücher, die du noch fertig lesen willst, empfiehlst du, auch zu lesen?
  4. Was wird das nächste Buch auf dem Nachttisch?
  5. Was für Bücher liest du sonst so, die du empfehlen willst?

Ich würde mich freuen, wenn sich einige dafür erwärmen könnten, Antworten auf diese Fragen zu formulieren. Mitmachen kann man an dieser Blogparade ganz einfach: Mittels Trackback/Pingback zu diesem Beitrag ist man dabei! Es wird Auswertungen zu dieser Parade geben. Ich freue mich auf eure rege Teilnahme! Das Weiterempfehlen dieser Blogparade ist nicht verboten.

Das Ende dieser Blogparade soll der 29. Februar 2008 sein. Schliesslich will der zusätzliche Tag ausgenutzt sein.

Literatur kann auch heilen (73)

Blake Morrison hat beim Guardian einen äusserst rührenden Artikel über das Lesen als Therapie veröffentlicht. Bibliotherapie scheint in Grossbritannien so richtig en vogue zu sein.

Lustigerweise – oder sollte man sagen glücklicherweise? – vertritt der Artikel eine Meinung, die derjenigen aus dem «Lesen und Glück»-Beitrag völlig widerspricht.

In Gruppen lesen diejenigen, die eine Bibliotherapie über sich ergehen lassen:

„The usual pattern is for a complete book to be read aloud, cover to cover, at weekly sessions, which for a group spending an hour a week on a Dickens novel can mean six months devoted to a single work.“

Das gemütliche Zusammensein und gemeinsame Lesen, Woche für Woche schweisst die Patienten mit verschiedensten Krankheiten, darunter auch Parkinson oder Alzheimer, anscheinend zusammen und lässt sie ihre Krankheiten in den Hintergrund treten.

Medizinisch gibt es dafür keine Erklärungen, Blake Morrison wagt gar den Vergleich mit Homöopathie, die gemäss Angaben vieler Menschen gegen Beschwerden nützen, obwohl teilweise gar keine Wirkstoffe festgestellt werden können.

„People who don’t respond to conventional therapy, or don’t have access to it, can externalise their feelings by engaging with a fictional character or be stimulated by the rhythms of poetry.“

Wenn das wirklich funktioniert, eine wahrlich sagenhafte Art der Therapie. Diese Art der Therapie wäre mir persönlich viel lieber als ein Medikamente-Cocktail, dem man die Nebenwirkungen schon sieben Kilometer gegen den Wind ansieht.

Penthesilea (72)

Auf der Liste ist auch das Drama «Penthesilea» von Kleist. Die Nummer zwei in der losen Serie von Rückblicken auf Lektüren aus dem Jahr 2007.

Schon die Form des Dramas lässt staunen: Ein Einakter. Das klassische Drama – und erst recht die klassische Tragödie – streben nach fünf Akten, wobei eine Exposition – die Vorstellung der Figuren und der Szenerie – und ein Wendepunkt spürbar sein sollen.

Mit dieser Regel, die bis auf Aristoteles zurückgeht, bricht Kleist. Das Drama besteht aus einem einzigen Akt mit sage und schreibe vierundzwanzig Auftritten, in denen sich die Situation um Achill und Penthesilea zuspitzt.

Vor dem Hintergrund des trojanischen Krieges positionieren sich die Streitkräfte der Amazonen (hüte sich, wer bei Amazon bestellt, dass ihm nicht gleichgesinnte Frauen mitgeschickt werden – dazu weiter unten mehr) gegen diejenigen der Griechen und Trojaner.

Bereits am Anfang zeichnet sich die kritische Situation ab. Achill kann den Händen der Penthesilea entkommen – ganz knapp erwischt sie den Halbgott nicht an seiner Achillessehne, der einzigen verletzlichen Stelle des Helden. Penthesilea ist darüber derart aufgebracht, dass sie seine Verfolgung aufnimmt.

Penthesilea und das Amazonenheer

Interessant wird das Drama an der Stelle, wo die Amazonen beginnen, das Rosenfest vorzubereiten. Die Vorstellungen über den Frauenstaat, die nur Männer braucht, um das Amazonenvolk zu erhalten, es besteht rein aus Frauen, das versteht sich von selbst, die Männer werden ausgestossen.

Festrosen, Rosen, Rosenfest

Aber eben, es war ja die Vorbereitung des Rosenfests, das eigentlich gar noch nicht hätte vorbereitet werden dürfen. Denn die Regel besagt, dass das Rosenfest erst dann vorbereitet werden darf, wenn der Sieg der Amazonen besiegelt ist und die Männer als die Sklaven der Frauen ausgebeutet werden können.

Aus Küssen werden Bisse

In der entscheidenden Szene wird begonnen zu täuschen: Achill – ganz von der Schönheit Penthesileas geblendet – gibt vor, die Dame habe ihn besiegt. Daraus erwächst auch ein Missverständnis, das Folgen haben wird, die die Tragödie tragisch enden lassen:

«So war es ein Versehen. Küsse, Bisse
Das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt,
Kann schon das eine für das andre greifen.»

Eine Orgie also, die das Stück und Achill zu Ende gehen lässt. Penthesilea wird dem Tier ähnlich: Wie die Hunde stürzt sie sich auf Achill und beginnt in zu küssen – und im gleichen Moment zu zerreissen. Aus einem Versehen. Hündischer Mensch, menschlicher Hund aus Versehen. Ein Kuss, kein Meilenstein vom Biss entfernt.

Bücher aus Abfall (71)

Aus Abfall kann nicht nur eine ganze Armee im Sinne eines Kunstwerkes bzw. mehrerer Aktionen entstehen, auch Bücher sollen aus Abfall entstehen.

Kathrin Schadt hat bei der Zeit eine lesenswerte Reportage veröffentlicht, die beschreibt, wie in Buenos Aires Bücher in Handarbeit entstehen. Viele Cartoneros arbeiten im Projekt Eloísa Cartonera mit. Und es entstehen äusserst bunte, bisweilen auch individuelle Buchumschläge.

Der Kleinverlag druckt ihre eigenen Anthologien und veröffentlicht die Avantgarde der lateinamerikanischen Literatur. Interessante Zusammenstellungen: Poesie und Kurzprosa, was den Literaten eben gerade einfällt.

So schnell werden diese Bücher wohl nicht wieder zu Abfall. Die Bücher sind schon Kunstwerk genug, dass sie nicht wiederverwertet werden brauchen.

(Kunstwerke aus Büchern: via siebensachen)