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Feuchte Märchen

Interessant der Anblick, wenn man sich die Auslagen bei den Buchhändlern anschaut. Abgesehen davon, dass praktisch alle dasselbe im Schaufenster stehen haben, sind die Anordnungen doch ziemlich welterklärend. Wenn das Buch als Ware neben einer anderen, austauschbaren Ware steht, so ergibt sich doch für den Leser, der das Buch nicht nur als Ware sehen will – im Gegensatz wohl zu den Händlern – ein Weltbild, das einen wohl nicht erstaunen würde, schaute man sich die demografische Entwicklung von Alter und Sexualität an.

Da liegt auf einem Haufen das Märchen, das die drittreichste Britin erzählt hat in englischer aber auch in deutscher Sprache auf. Einmal als The Tales of Beedle the Bard und einmal als Die Märchen von Beedle dem Barden. Schon denkt man sich, dass es eigentlich schön ist, wenn zur Weihnachtszeit einmal wieder Märchen verkauft werden, die wohl auch von Erwachsenen gelesen werden – ohne da auf empirische Daten zurückgreifen zu können. Auf jeden Fall tituliert es auf Bestseller-Listen, so wie dies die sieben Bände des Töpfers auch zu tun pflegten.

In einer Buchhandlung, und erstaunlicherweise gerade in derjenigen, die aus einer katholischen Trägergruppe, hervorging, liegen die Märchen direkt neben dem Bestseller von Charlotte Roche. Das rosarote Bändchen, das den netten Namen Feuchtgebiete trägt, also direkt neben den Kindermärchen? Und wie sollen da die Grosseltern noch entscheiden, welches das richtige Weihnachtsgeschenk für ihre Enkel ist?

Elefanten am Ganges

Da spricht man über Erweiterungen von EU-Grenzen im Rahmen der Bilateralen Verträge, was an sich schon Kuriositätswert hat, wenn sich im Moment die Politik doch um Dinge wie HarmoS, Nachfolge Schmid oder ein flexibles AHV-Alter drehen würden. Es kommen die alten Argumente, dass man Grenzen geschlossen halten muss, damit keine Arbeitsplätze verloren gehen. Und dass Affen und Elefanten ohnehin nicht viel gemeinsam hätten.

Im gleichen Atemzug erwähnt er die neuen Angebote, die er im Internet entdeckt hat: Geisterschreiber aus Indien, die perfekte englische Texte hervorzaubern und keinen goldenen Penny verlangen, sondern sich auch mit weniger zufrieden geben. Oder er erzählt, wie toll es sei, dass seine Bücher jetzt immer diesen würzigen Geruch an sich hätten, speziell dann, wenn er seine Fotobücher mit den Ferienerinnerungen aus Bulgarien im Billigparadies am Ganges drucken lasse.

In solchen Momenten kommt es einem richtig spanisch, nein vielmehr ungarisch vor, während man den nächsten Appenzeller bestellt.

Wo sind die Paradiesvögel geblieben?

In der Kleinstadt ein Buch nachgefragt: «Haben Sie den Paradiesvogelschiss?» Was sollen wir haben? (Entsetzter Blick). Nein, also so etwas habe sie noch nie gehört, meint die Buchhändlerin. Den Aautor kenne sie auch nicht.

Nebenan liegen Flugblätter auf, die für Buchvielfalt einstehen und dabei die Aufmerksamkeit wegen der Buchpreisbindung auf sich lenkt. Und das in einer Bücherei, die nicht einmal Rühmkorf hat, dessen Sarg ja vor kurzer Zeit in allen Feuilletons herumgeschleppt worden ist.

Wenns die nicht haben,w ird man sicher bei einer anderen Handlung mit Büchern fündig. Dahin gegangen, wo man eigentlich von Anfang an gehen sollte, wenn man eine breite Palette braucht. Da ist ein Schild auf die offene Tür geklebt, das einem bedeutet, geduldig zu sein, der Laden sei geschlossen bis alle Bücher gezählt und inventiert sind.

Immer noch nicht locker gelassen, den Schiss des Paradiesvogels irgendwo zu finden. Den glorreichen Einfall gehabt, doch in die dritte mir bekannte Buchhandlung zu laufen. Die müsste doch bestimmt etwas haben, denn mit diesen Buchhändlern diskutierten auch geschätzte Leute, die man kennt.

Auch hier wird man von einem Schild an der Tür empfangen: Grosse Lettern zeigen an, dass der Laden geschlossen sei.

Wäre man gleich zu Beginn der Tour zu Hause geblieben, hätte man im Computer gesehen, dass die Auflage vergriffen sei, aber im Juli eine neue erscheie. Was soll man da noch sagen, ausser dass der Weg zum Paradies steinig ist?

Nicht einmal das kleinste Produkt, den Paradiesvogelschiss kann man bekommen. Auch dann nicht, wenn man bereit gewesen wäre, Geld dafür springen zu lassen. Was einem missgönnt geblieben wäre, wenn man bloss in den Computerbildschirm gestarrt hätte: der entsetzte Blick der Buchhändlerin wegen dem Paradiesvogelschiss.

Krieg gegen sich selbst?

Ob Grossbritannien Krieg gegen sich selbst führe, fragt A. L. Kennedy pointiert. Dass es sich um einen geistigen Krieg handeln muss, der sich gegen den Abbau von Zugängen zur Kultur richtet und zur Wehr setzt, wird schnell klar.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nennt A. L. Kennedy, die soeben den 1. Internationalen Eifel-Literaturpreis entgegennehmen konnte, eine der wichtigsten Autorinnen der Gegenwart. Wenn ihre Bücher auch so reflektiert sind wie die Dankesrede für den Preis (die ich zu lesen jedem ans Herz lege!), scheint dies tatsächlich der Fall zu sein.

Ganz im Gegensatz zu meinem Entwurf der idealen Bibliothek, die im Wabenmuster aufgebaut ist, konstatiert die Literatin Erschreckendes: «Wir haben unser Bibliothekswesen zerstört, wir haben unsere eigenen Bücher entfernt, Gebäude geschlossen und Öffnungszeiten reduziert. Wir verbrennen keine Bücher, das nicht, aber wir lassen sie still und leise verschwinden.»

In Grossbritannien ist mit dem Wegfall der Buchpreisbindung auch im Buchhandel ein riesigies Problem entstanden, wie mir meine Buchhändlerin erklärte. Zwei Jahre nach der Aufhebung der Buchpreisbindung habe man noch nicht viel davon gespürt, aber jetzt, wo auch die Supermärkte eingestiegen sind, verdrängten Bestseller immer mehr die Auswahl vom Markt.

Eine Situation, die nicht wirklich einleuchten mag, denn gerade der Wettbewerb sollte doch, so das Wort der neoliberalen Wunderheiler der Marktwirtschaft, auch für mehr Vielfalt sorgen.

A. L. Kennedy bezieht auch klare Position zu diesem Thema, viel mehr aber betont sie auch, «dass Lesen etwas in sich hat, was, wie ich sagen würde, von Natur aus gut ist.» Ob Lesen gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Vielmehr bleibt darauf hinzuweisen, dass in der Schweiz die Buchpreisbindung im August zur Debatte stehen wird. Die Schweizer Buchhändler und Verleger versuchen momentan ihr Bestes dafür, damit sich die Buchvielfalt bewahren lässt. Bis zum August, wo definitiv entschieden werden wird, ob die Buchpreisbindung bleibt oder nicht, bleibt nur zu lesen.

Einige weiterführende Links zum Thema:

  1. Arbeitszimmer von A. L. Kennedy (sieht ein bisschen aus wie eine psychoanalytische Praxis)
  2. A. L. Kennedys Homepage
  3. Gekürzte Fassung der Dankensrede bei der FAZ
  4. Buchvielfalt bewahren.

Blogparade: Lektüre auf dem Nachttisch – mein Beitrag (108)

Die Blogparade zur Lektüre auf dem Nachttisch geht morgen um 24:00 zu Ende. Vielen Dank schon mal denjenigen, die bis dato mitgemacht haben; es sind ganz interessante Listen entstanden. Weil ich irgendwo gelesen habe, dass die Veranstalter selbst auch bei der Blogparade mitmachen sollen, beantworte ich meine Fragen auch noch selbst.

Bücherstapel auf dem Nachttisch

  1. Wie viele Bücher warten darauf, endlich fertig gelesen zu werden?
    Wenn ich das wüsste, wäre ich meinem Unwissen einen Schritt weiter an den Kragen gegangen… Aber halt, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, … Vieles ist vom Nachttisch schon wieder ins Bücherregal gewandert.
  2. Was schätzt du an den Büchern, die auf dem Nachttischchen liegen?
    Sie liegen da so schön, und wenn man vor dem Einschlafen nicht mehr aufstehen mag, reicht ein Griff zu den Büchern. Wenn eine Mücke herumschwirrt, kann man sie gleich zwischen den Buchdeckeln einklemmen, ohne einen fiesen Stachelstich zu riskieren.
  3. Welche der Bücher, die du noch fertig lesen willst, empfiehlst du, auch zu lesen?
    Also den Eric Emmanuel Schmitt, der zuoberst auf der Beige auf dem Foto liegt, wahrscheinlich nicht, der ist äusserst mühsam zu lesen. Der Titel war vielversprechender, die Umsetzung bis jetzt äusserst enttäuschend. Und ich glaube, nicht jeder wird 200 Seiten zurücklegen, um das zu bemerken.

    Den James Joyce (A Portrait of the Artist as a Young Man) will ich dann irgendwann mal anfangen zu lesen, eine Empfehlung kann ich aber noch nicht abgeben, weil ich noch nicht einmal reingelesen habe und auch James Joyce noch ein unbeschriebenes Blatt für mich ist. Im Büchergestell steht – noch jungfräulich – der Ulysses, der wird aber noch etwas warten dürfen, genauso wie die Buddenbrooks, obwohl ich den Zauberberg, der vor zwei Monaten noch auf dem Nachttisch lag, äusserst interessant war.

    Beim Proust will ich endlich mal noch die Mitte lesen, Anfang und Ende sind schon gelesen, aber der eignet sich für mich nicht als Bettlektüre. Zu viele Wörter wollen nachgeschaut sein und zu komplex sind die Gedankenspinnweben; die Befürchtung habe ich ja bei Joyce auch noch.

    Zuunterst ist – wie die Empfehlung von einigen Blogparaden-Teilnehmern empfohlen – die Bibel, das Buch der Bücher, sozusagen als Fundament für die Weltliteratur. Nicht dass das der Gustav Schwab mit seinen Sagen nicht auch wäre oder die Tausendundeinenacht, die ich leider noch nicht besitze, aber unbedingt mal kaufen möchte.

  4. Was wird das nächste Buch auf dem Nachttisch?
    Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Wenn ich das nächste Mal eine Buchhandlung betreten werde, ist da bestimmt ein Buch, das mit mir nach Hause kommen möchte, da habe ich gar keine Sorgen. Hauptsache ist, es gibt immer genug Ungelesenes zu Hause, dann wird es bestimmt nie langweilig (natürlich auch sonst nicht, aber so noch weniger).
  5. Was für Bücher liest du sonst so, die du empfehlen willst?
    Eigentlich eine dumme Frage, wenn man die beantworten muss. Aber wie war das nochmals, «es gibt keine dummen Fragen nur dumme Antworten?» Dann soll dies eine dumme Antwort sein… Nein, ganz klar natürlich Joseph Roth, unbedingt das Berliner Bilderbuch (was es leider nur in der Gesamtausgabe gibt, aber gute Bibliotheken führen eine solche Ausgabe), ausserdem Stefan Zweig mit seiner Clarissa, Ibsens Puppenhaus und die Gespenster, Bichsels Eisenbahnfahren, unverzichtbar: Erich Kästners Drei Männer im Schnee oder Modicks Moos, was ich immer noch nicht verstehe.

Am Wochenende werde ich dann noch eine Liste der Teilnehmer und Teilnehmerinnen veröffentlichen.