Days with My Father: Philipp Toledanos unglaublich eindrückliche und berührende Fotogeschichte.
[via anmutunddemut]
Days with My Father: Philipp Toledanos unglaublich eindrückliche und berührende Fotogeschichte.
[via anmutunddemut]
Diese Zeichenprobleme. Es hat niemand behauptet, dass Zeichen an sich unproblematisch seien; nur manchmal würde man sich gerne der Illusion hingeben, weil sie einem das Leben erleichtern würde, solange man mit Zeichen zu tun hat. Nun gibt es diese Vorgabe von 60’000 und ich fixiere mich so gerne daran, kontrolliere abends den Zeichenzähler und freue mich, wenn sich wieder einige Zeichen mehr angesammelt haben in dieser zweitletzten Arbeite, die noch ohne Diplom geschrieben werden muss.
Zum Glück erinnern mich heute aber Textilinteressierte daran, dass es gar nicht so sehr auf die Zeichen darauf ankommt. Sie ergeben Muster, die schön anzuschauen sind, und um die gehe es. Ich muss mich mehr auf die Muster, auf die Argumente konzentrieren als auf die Zeichenzahl. Zum achtzehnten Geburtstag ihrer Tochter, erzählt die Katalogisiererin von Textilien, hätte sie alle Freundinnen und Freunde einen Stoff mitbringen lassen und die dann aufgehängt. «Mindestens einen Meter, damit man daraus etwas machen kann.» Auf einem war eine Sarrasine drauf, Aristocholia longa.
Warum also beim Schreiben nicht viel mehr von diesen Mustern ausgehen, die Fäden schlagen und in die richtige Form bringen? Jede Farbe am richtigen Ort, gut vernähen, da wo es sich gehört und dann, erst zum Schluss, abschneiden nach Metermass? Dann sollten diese Sechzigtausend, von denen Vierzigtausend hoffentlich schon geschrieben sind, auch zu schaffen sein.
Internet ist frei von jeder Romantik. Es hat die wirtschaftlichen Ströme revolutioniert: Wir können jederzeit wissen, wo sich unsere Pakete befinden, wohin die Waren geschickt werden und woher sie kommen. Wir haben alle Informationen.
Und doch nicht: Viele Texte sind nicht online greifbar oder nur gegen Plastik. Das Problem besteht aber schon seit den Anfängen von Hypertext, wie Mai 1991 beschrieben hat:
«The most important question from a Kristevian point of view is again a political one: who provides, under which conditions, which kind of access to whom. Current database management is conspicuously concerned with questions as to which ‹privileges› are accorded to which users. Only an accomplished hacker would be ‹intertextually free› (in Barthesian sense) to follow up any kind of textual connection – but, at the same time, subject to legal restrictions which try to secure the private property of information.» (50–51)
Nur Hacker sind in intertextueller Freiheit. Müssen Leser Hacker werden? Internauten aller Welt, vereinigt euch!
Mai, Hans-Peter (1991): Bypassing Intertextuality. Hermeneutics, Textual Practice, Hypertext. In: Plett, Heinrich Franz (Hg.): Intertextuality. Berlin: de Gruyter (Research in text theory, 15), S. 30–59.
«Du denkst zu literaturwissenschaftlich!» Das sage ich mir in letzter Zeit oft, weil ich mir nur mit grössten Schwierigkeiten die theologische Brille vorstellen kann, die ich für meine bibelwissenschaftliche Seminararbeit bräuchte. Meine Augen verstehen nicht, wie zielführend das ist, über Aussagen des Täufers auf die wahre jesuanische Gestalt zu kommen. Und dann mit dem Historiker Josephus vergleichen, ob der auf ähnliche Schlüsse kommt. Und dann lache ich, wenn der Kommentar literaturwissenschaftlicher wird: «The passage as a whole has a sandwichlike structure.»
Vielleicht müssten sich Literaturwissenschaftler damit abmühen, den Grünen Heinrich oder Henri le Vert wie Keller ihn in Briefen nennt, zu rekonstruieren. Speziell diejenigen, die von sich behaupten, der Grüne Heinrich sei ihre Bibel. Es existieren ja auch verschiedene Fassungen von Heinrich, Gottfried dank!
Wo kauft man sich eine Theologenbrille?
So gemein aber auch: Im Nachtzug nach Lissabon von Pascal Mercier kommt eine Szene mit Isfahan vor. Der Protagonist hätte nach Isfahan, der angeblich schönsten Stadt der Welt, gehen wollen, um da eine Stelle als Hauslehrer anzutreten. Er hat sich bereits ein Sprachlehrbuch gekauft, das ihm sein Vater bezahlte, aber entschied sich dann doch dagegen.
Das kommt mir wie eine Parallele zu meiner jetztigen Situation vor: Noch vor wenigen Wochen wartete ich aufs Visum. Am Freitag vor den iranischen Wahlen ist es dann gekommen, es sieht ganz schön aus mit diesen Buchstaben drin. Mein erstes Visum überhaupt, im frischen Pass, aber doch auf Seite 9 eingeklebt.
Die Freude war gross, die Reise eigentlich auch schon geplant. Und Isfahan war auch unter den Reisezielen, denn die Bilder sprechen für sich, selbst dann, wenn einem die Leute, die Bücher für die Reisevorbereitung ausgeliehen haben, meinten, dass die Farben in keiner Weise der Realität entsprächen.
Und dann diese Unregelmässigkeiten bei der Wahl, die ja offiziell keine waren. Jetzt wird die Reiseroute wohl oder übel geändert. Selbst wenn noch es noch ein guter Monat bis dahin ist, scheint die Lage noch immer unüberblickbar. Und wenn die politische Lage schon jetzt so instabil ist, soll man ja umplanen. Es gibt schliesslich noch genug andere schöne Flecken in der Welt. Und man kann sich ja die schönste Stadt der Welt auch noch für später aufsparen und währenddessen im Nachtzug nach Lissabon weiterlesen.