Archiv der Kategorie: Gedanken

Namen und Dinge

Manchmal kommt es vor, dass man einen Namen sucht, von dem man nur noch einen Laut weiss, umso genauer allerdings das Gebiet kennt, mit dem der Name in Verbindung steht. So ging es erst kürzlich, als ein Name mit einem zischenden Anfangslaut gesucht war. Die ganze Sache musste umso peinlicher sein, weil die gesuchte Person eine der begründenden Personen des Studiengebietes war. So sucht man seine Notizen ab, weil man weiss, einmal eine Radiosendung zur historisch-kritischen Bibelauslegung gehört zu haben, in der genau diese Person mit dem «sch»-Laut vorgekommen ist.

Die Notizen werden auch gefunden, aber komischerweise steht der Name nicht mehr da, wo man sich erinnerte, sei er aufgeschrieben. Da beginnt die Suche mit Suchmaschinen, die einem ja manchmal beim Erinnern helfen. Aber auch da findet sich nichts. Und da wird man an Joseph Roths wunderbaren Satz erinnert, der von den Namen handelt.

Aber auch hier muss das kleine Erinnern reichen, das in etwa sagt: Alles nur Namen. Namen sind wichtig! Denn auch dieser Satz ist nicht da aufgeschrieben, wo er hätte aufgeschrieben sein sollen.

Dann blättert man im Ordner eine Seite nach hinten und sieht eine Notiz zum ähnlichen Thema im Islam, blättert zwei Seiten nach vorne und hat genau den Namen, den man so vergeblich im Internet gesucht hat, weil man die Begriffe entweder zu abstrakt eingegeben hat, oder weil man nicht die Zeit aufbringen wollte, jedes einzelne dieser Millionen von Resultaten zu überprüfen.

Zum richtigen Zeitpunkt ist dann Carl Friedrich Strauss eben doch noch aufgetaucht. Dass dies nicht immer so sein muss, hat dann der Mit-Passagier im Bus bestätigt. Nur scheint Suchen und Nichtfinden manchmal lebensbedrohliche Züge anzunehmen. Schuhe, die dieser Passagier als Winterschuhe ausgab – es lagen ja Salz und Schnee – würde manch einer nicht einmal im Sommer anziehen wollen.

So versteht man auch ansatzweise, wie Leute ihr Leben im Ordnen der Dinge leben können, weil das Ordnen – so würde wohl der Arzt in diesem Fall empfehlen – der vielleicht sogar letal endenden Lungenentzündung vorbeugt.

Einstimmen aufs Neue

Nur noch dieses Wochenende, dann lesen die Professoren wieder vor. Bis dahin darf man sich ja noch ein wenig einstimmen, ein wenig Schmökern, und sich vorstellen, was man während vierzehn Wochen lernen wird. Da wäre bei mir dieses Semester ein neues Alphabet angesagt, ganz dem gesellschaftlichen Trend zur Pluralität folgend. Und wenn man im Verfolgen eines Trends Geist und Zeitgeist vereinen kann, gibts doch gar nichts Schöneres. So braucht man nämlich nicht einmal Giovanni di Lorenzos Entscheidungstaktik der Zeit zu benutzen, die im Zweifelsfalle lieber Geist statt Zeitgeist nimmt.

Und weil man mit Youtube auch schön einstimmen kann, soll das ganze Alephbet über den Bildschirm purzeln:

oder so:

Bibliothek für Blogs

In dieser Spalte ging es schon das eine oder andere Mal um Bibliotheken. Da habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie eine ideale Bibliothek aussehen könnte, beispielsweise so wie Bienenwaben. Waben haben mathematisch gesehen eine ideale Oberflächenstruktur, habe ich mir sagen lassen, nachdem ich den Artikel geschrieben hatte.

Aber das sind ja alles Altlasten. Heute soll hier ein Projekt genannt sein, das hohes Zukunftspotenzial führt: Die Blogbibliothek, lanciert von Thinkabout und Yoda, die beide Blogs als Orte (oder Nichtorte) für gute Texte fördern wollen.

Dabei sammeln sie Texte und Blogs, die man gerne liest, und die sich nicht «Bloggen übers Bloggen» auf die Fahne geschrieben haben. Die Bibliothek von Yoda und Thinkabout soll Perlen im grossen Blogmeer finden, gleichzeitig natürlich auch Lesern die Perlen schmackhaft machen.

In einer ruhigen Minute findet man so in der Blogbibliothek interessante und vor allem lesenswerte Texte, die man bei gezieltem Suchen vielleicht nicht gefunden hätte, weil auch Texte vertreten sind, die in den Google-Resultaten nicht an prominentester Stelle erscheinen.

Und es kommt noch besser: Wer selbst lesenswerte Blogs und gute Texte aus Blogs gefunden hat, die er in der Bibliothek verewigen will, kann selbst Vorschläge an das Redaktionsteam der Bibliothek schicken. So mehren sich die Perlen im eigenen Kästchen. Ach ja, und natürlich führen die beiden einen Blogbibliothek-Blog.

Feuchte Märchen

Interessant der Anblick, wenn man sich die Auslagen bei den Buchhändlern anschaut. Abgesehen davon, dass praktisch alle dasselbe im Schaufenster stehen haben, sind die Anordnungen doch ziemlich welterklärend. Wenn das Buch als Ware neben einer anderen, austauschbaren Ware steht, so ergibt sich doch für den Leser, der das Buch nicht nur als Ware sehen will – im Gegensatz wohl zu den Händlern – ein Weltbild, das einen wohl nicht erstaunen würde, schaute man sich die demografische Entwicklung von Alter und Sexualität an.

Da liegt auf einem Haufen das Märchen, das die drittreichste Britin erzählt hat in englischer aber auch in deutscher Sprache auf. Einmal als The Tales of Beedle the Bard und einmal als Die Märchen von Beedle dem Barden. Schon denkt man sich, dass es eigentlich schön ist, wenn zur Weihnachtszeit einmal wieder Märchen verkauft werden, die wohl auch von Erwachsenen gelesen werden – ohne da auf empirische Daten zurückgreifen zu können. Auf jeden Fall tituliert es auf Bestseller-Listen, so wie dies die sieben Bände des Töpfers auch zu tun pflegten.

In einer Buchhandlung, und erstaunlicherweise gerade in derjenigen, die aus einer katholischen Trägergruppe, hervorging, liegen die Märchen direkt neben dem Bestseller von Charlotte Roche. Das rosarote Bändchen, das den netten Namen Feuchtgebiete trägt, also direkt neben den Kindermärchen? Und wie sollen da die Grosseltern noch entscheiden, welches das richtige Weihnachtsgeschenk für ihre Enkel ist?

In wenigen Minuten

Es soll in wenigen Minuten vorbei sein, dieses köstliche Jahr. Es hat viele Eindrücke hinterlassen, von denen ich einigen auch Ausdrücke zu verleihen versucht habe. Hoffen wir auf ein ebenso interessantes, reiches, lehr- und lernreiches Jahr, das folgt.

Was bedeutet denn der Wechsel vom einen Jahr ins nächste? – Es gibt sicher kompetentere Leute als mich, diese Frage zu beantworten. Menschen, die den Wechsel nicht schon so viele Male verschlafen haben, Leute, die sich eine Feier aus dem Wechsel machen.

Aber eigentlich ist doch gar nichts anders, ausser den Zahlen. Es ist bloss eine neue Zahl, die man schreibt, aber was sind schon Zahlen? Sie stehen auf dem Supermarktzettel, nummerieren die Gebete in Gebetsbüchern, lassen mit Null und Eins fast alles funktionieren. Und sie sind die Zeit, unser wertvollstes Gut. Es sind nur noch wenige Minuten. Die wenigen Minuten sind so vergänglich wie die grossen Zahlen, die dieses Jahr aus den Börsen gepurzelt sind. Zahlen sind eben doch wichtig.

Dabei kommt mir aber ein Zuggespräch in den Sinn: Es ging um die Kunst, einen Video zu produzieren. Die heutigen Filmer seien allzu versessen auf die Timeline, dabei sind es doch die Bilder, die wichtig sind. Lauter Einzelbilder, die sich aneinanderreihen sollen, die ineinander zerfliessen sollen, machen doch einen Film aus. Der Ton, der perfekt dazu passen soll, nicht die Linie, die in der Software zum Filmeschnippseln als Existenziallinie angeführt wird. Schlussendlich soll es eine kilometerlange Schlaufe werden, die in ein Abspielgerät hineinpassen soll. Aber das scheint den Zuschauer nicht zu interessieren. Dinge solcherart interessieren ihn nur, wenn es einen Filmriss gibt. Den Zuschauer interessiert die Geschichte, die Spannung, die Stimmung, die der Film erst schafft.

Was sind schon Zahlen? Geschichten sind doch eigentlich die wichtigen Dinge. Und doch: Zahlen sind wichtig. Jeder hat verschiedene Zahlen und Nummern. Auch Sie, gerade während Sie diesen Text lesen: Die informatischen Maschinen brauchen Zahlen.

In diesem Sinne alles Gute fürs nächste Jahr. Bitte auch beim Filmriss daran denken.