Von der Passion zum passionierten B. (101)

Ein gestürzter B. im Wald. Nein, es geht nicht etwa um die Bäume, die im Eschenbergwald gefällt werden, damit sie verheizt werden können. Die verheizten Topkader sind im Wald viel zahlreicher anzutreffen als rollende Bäume. Sie rollen mit ihren teuren Velos die tauenden Wege hinunter, damit die Kleider – irgendein synthetisches Fabrikat wohl – möglichst dreckig werden, und man zu sehen fähig ist, was sie angestellt haben. Manchmal auch im Status eines Gestürzten, einige haben das Glück, dass ihnen der Stuhl abgesägt wird, bevor es zum natürlichen Fall kommen würde. Der Sturz sei dann kontrollierter, wie man Förstern entlocken könnte, wenn man sie denn fragen würde.

Der Platz, den ein Baum nach seinem Sturz einnehmen wird, ist wohl schon vorbestimmt. Manch einer wird gehäckselt, damit eine Holzschnitzelheizung das Beste aus dem kränkelnden oder nicht mehr verwendbaren Objekt machen kann: Recycling, damit der Verwesungsprozess nicht eintritt.

Was aber macht der gefällte Topkader-Platzhirsch, nachdem ihm der Stuhl abgesägt worden, und er erst noch vom Bike geflogen ist? Häckseln und Schnitzelheizung für die fach- und sachgerechte Entsorgung, die erst noch umweltfreundliches Heizen und Wärme für einen ganzen Winter bedeutet? Das Leiden des Bikers wäre eindeutig (wenn nicht sogar eineindeutig) zu gross. Schliesslich hat er sich doch auch schon beim Velofahren schwere Schürfwunden zugezogen, die einer mühseligen Heilung bedürfen, die Passionsgeschichte, also die Geschichte seines Leidens, braucht nicht noch dramatisiert zu werden.

Das regionale Arbeitsvermittlungszentrum wird ihm eine Weile Geld für die Haushaltskasse zukommen lassen. Als Gegenleistung wird gute Vermittelbarkeit und eine bestimmte Anzahl Bewerbungen erwartet, ist ja ganz klar. Aber wie immer: Eile mit der dazugehörigen Weile.

passion

Was soll er denn in seinen Bewerbungsbriefen schreiben? Etwas Originelles hätte er doch bei den Bewerbungsbriefen abgucken können, die er bei der Auswahl, als er noch Personal einstellen durfte, jeweils fein-säuberlich geprüft hatte. Bei vielen hat da bei den Hobbys gestanden: «Passionierter Biker, geht Risiken ein.» Das klingt doch originell, und zufällig trifft es auch auf den Topkader zu, auf den alle gewartet habe. Also, entschieden, das gehört auch in die Bewerbungsunterlagen rein.

Warum aber will die Passion kein Ende haben? Wer mit soviel Passion im Wald herumfährt, sich zum Baum machen lässt und erst noch nicht einmal von Schürfwunden zurückschreckt, sollte doch belohnt werden. Wo ist die Wucht geblieben, die man bekommt, wenn man einen riesigen Berg hinunterrollt?

Dummerweise – oder für den passionierten Workaholig: glücklicherweise – haben die beiden Passionen nicht mehr viel gemeinsam: Die Passion als Leidensgeschichte wurde direkt aus dem Lateinischen entlehnt, und das schon vor einigen Jahrhunderten, die Passion, welche die Leidenschaft meint, hingegen aus dem Französischen. Wer aber auch bei Leiden-schaft noch stutzig wird, dem geht es so wie dem Verfasser dieses Textes. Das Leiden steckt ja auch im deutschen Wort noch drin.

Die Leidenschaft ist für den Ersatz des französischen passion geschaffen worden, also als Ersatz für das Wort, das ein Gefühl eines bewegten Gemütszustandes beschreibt. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man wohl zur Annahme kommen, dass sich die Bedeutung gewandelt hat von der christlichen Passion, die oft auch als einzelner Begriff das Leiden Christi beschreibt. Das Deutsche war hier aber ausnahmsweise einmal nicht wahnsinnig kreativ. Unser passionierte Biker ist also – Gott sei Dank – eher eine Ausnahme als dass er die deutsche Wortgeschichte im bildhaften Sinne demonstrieren würde. Hier lohnt sich die Frage: «Wer hat’s erfunden?»

#11: Zeit und Text

Wir müssen ein bisschen vorwärts machen, und lassen deshalb den Aba und den Abakus einfach so an uns vorbeiziehen, schliesslich sind wir nun schön über eine Woche daran, die erste Seite zu lesen und sind auch auf dieser Seite erst in der zweiten Spalte.

Der französische Philosph, der anscheinend Abälard geschrieben wird (Abaillard oder Abaelardus), und der in einer Handschrift des Roman de la Rose, einem monumentalen Werk in altfranzösischer Sprache, natürlich in Paarreim, wie es sich gehörte, abgebildet ist kommt vor dem Eintrag abänderlich. Welch gute Kombination! Wie wenn die mittelalterliche Schriftkultur in der Form der Gestaltung des Dudens reflektiert würde. Es gibt Aufsätze zum unfesten Text, die davon sprechen, dass Schreiberlinge in den Skriptorien die Texte abändern.

Vielmehr sogar müsste man wohl davon sprechen, dass der mittelalterliche Text von der Abänderung lebt, unterschiedliche Versionen machen den Text lebendig, weniger starr. Eine Gemeinsamkeit mit dem im Blog erscheinenden Text: Läuft die Zeit, verändert sich die Gestalt des Textes. Autoren kommentieren, nehmen Bezug aufeinander, manchmal übersetzen sie oder erzählen Geschichten neu wieder.

#10: Eine aasige Gemeinheit (99)

Hui, das war ja wieder mal aasig von dir; eine regelrechte Gemeinheit! Mit deinem Geierschnabel hätte man eigentlich gar nichts Anderes von dir erwarten sollen. Du bist ein richtiger Aast. Sprich mir nächstes mal auf den AB, dann muss ich mir nicht mehr live durch den Telefonhörer anhören, wie doll du mich findest. Dann habe ich Zeit, mich auf eine Retourkutsche vorzubereiten, das wäre dann wenigstens im Sinne einer Gleichberechtigung, denn du hattest auch schon lange Zeit, dich vorzubereiten. Ein A. B., also ein solches Bekenntnis soll es ja nicht gerade werden, aber dennoch könntest du ein wenig Rücksicht und Emphase gegenüber deinen Gesprächspartnern einbringen. Schliesslich leben wir nicht auf dem Mond, sondern in einem Spinnennetz mit lauter Geierschnäbeln! Da musst du nur genug schnell picken können, damit sie dich nicht spicken.

Wenn dich der Körnerfood in der langen Zeit nicht mehr sättigt, geh ab und setz auf die Nuss.

#9: Der Aasgeier und der Pudel (98)

Aaron soll ausser dem kleinen Bruder der Backstreet Boys auch noch der Name eines biblischen sein. Ach ja, genau, der Aaronstab für den Bruder Moses!

Mit Aas kann und will ich nichts anfangen, lassen wir das die sache der Aasgeier sein, denn da wachsen die schönsten Aasblumen, man kann von ihnen nicht genug kriegen, höchstens die Fliegen könnten bitte sehr verschwinden, schliesslich versperren sie die Aussicht. Der Fluglärm ist auch unerträglich, bald muss ein härteres Abflugregime her, von internationaler Zusammenarbeit auf politischer Ebene ist nichts zu spüren. Fliegen der Schweiz, vereinigt euch mit den Fliegen Europas, bevor es zu spät ist! Macht ein Manifest wie die Pudel. Jetzt könnt ihr bei der Auswahl noch aasen!

Sobald aber die Aasfresser und Aasgeier den Platz gestürmt haben werden, ist fertig lustig, verhandeln muss man dann gar nicht mehr, denn die Schnäbel sind gespitzt und die Schadenfreude gross.

#8: Aaraus Adler (97)

Daran will er sich partout nicht erinnern, sagt immer a. a. O., da müsse man sich nicht mehr merken, wo man es abgelegt hat.

Aar hingegen ist der viel besser zum Adler passende Begriff. Die fliegen immer so abgehoben in den Lüften, wenn sie nicht eine Katze anvisiert haben, auf die sie – zum Adler werdend – hinabstürzen wollen.

Mit der Stadt Aarau hat das wohl gar nichts zu tun. Höchstens, dass die Aarauer, die an der Aare wohnen, und den restlichen im Aargau wohnenden weisse Socken anziehen dürfen. Manche teilen mit Winterthur die gleiche Bahnlinie, was will man mehr? Wer in Winterthur weisse Socken findet, braucht sie nur in die S12 nach Brugg zu legen, dann kommen sie am richtigen Ort an, bei jemandem, der sie anziehen darf, ein schönes Geschenk, viel schöner als die Zeitungen, die man so eigentlich gar nicht nennen dürfte.