An den Kindergarten erinnert (65)

Beim Umherfahren erinnert man sich manchmal an etwas. Im Bus waren so viele aufgeregte Kindergarten-Gesichter zu sehen (obschon gar kein Schulanfang war). Aber es war eigentlich gar nicht das, was an den Kindergarten erinnerte.

Vielmehr war es der Buschauffeur, der mit seinen Ansagen die Busfahrt in ein richtiges Abenteuer verwandelte. Nein nicht der Buschauffeur; derjenige im Kindergarten. Er war jeweils der «luschtigi Busschöfför». Es ist unerklärlich, weshalb man diesem Buschauffeur nur das Prädikat lustig verliehen haben, denn hätte er ein grösseres Wort verdient. Daran müsste man sich eigentlich erinnern.

Man wurde begrüsst mit der typischen Flugzeugbegrüssung (als Kind muss man schliesslich wissen, wie sich typische Flugzeugansagen anhören). Mit diesem Pilot-/Buschauffeur war die kurze Strecke noch viel schneller fertig als normalerweise, denn ein Flugzeug muss ja schneller sein als ein normaler Bus, sonst wäre da gar kein Witz dabei. Die Kinder waren überzeugt, der Buschauffeur werde sie irgendwann einmal in einem richtigen Passagierflugzeug statt dem alten Saurer-Bus begrüssen.

Powerpoint-Karaoke mit den Erstsemestrigen (64)

Präsentieren muss man heute eigentlich in jedem Kontext können. Und weil es gerade an der Zeit war, im Tutorat präsentieren zu üben, dachte ich mir, wäre es doch eine ganz lustige Idee, Powerpoint-Karaoke für diesen Zweck auszuprobieren.

Mit zwei Präsentationen aus Einführungskursen der Linguistik (schliesslich sind Linguistinnen und ein paar wenige Linguisten bei mir im Tutorat) durften sich die Damen beweisen, und da haben sie sich ganz locker geschlagen. Ich hätte nicht erwartet, dass das so problemlos vonstatten geht. Auch die jungen Herren haben sich gut geschlagen, obwohl sie das schwierigere Los gezogen haben: Sie durften die Präsentation von Sarah zum Besten geben.

Die Idee der Powerpoint-Karaoke fanden die TeilnehmerInnen ganz amüsant, einige hatten es sich aber leichter vorgestellt, eine Präsentation zu halten, die man nicht selber geschrieben hat.

Ich hatte dummerweise nicht damit gerechnet, dass es heute noch Leute gibt, die nicht wissen, was ein Blog ist. Schon gar nicht unter Studenten, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Jetzt wissen es auf jeden Fall alle, auch wenn sie sich über den Neologismus gewundert haben dürften. Die Beschreibung mit den «Klowänden des Internets» fanden sie dann auch ziemlich treffend. Und den Aspekt der Demokratisierung fanden sie ganz spannend.

Zur Lektüre der Liz-Arbeit von Sarah bin ich leider noch nicht gekommen, wenn sie aber so interessant ist wie die Präsentation am Blogcamp, dann freue ich mich schon darauf. Es wird aber wohl irgendwann zwischen Weihnachten und Februar, bis ich hier etwas darüber schreiben werde.

Von Bibliotheken (63)

Die NZZ hat heute (Lebens-)berichte von Autoren und Wissenschaftlern mit ihren Büchersammlungen gebracht. Viele gehen auf die Erlebnisse mit ihren ersten Büchern (oder den ersten Frauen) ein, die nicht immer einfach waren.

Die Textarchive sind bei den meisten nicht so sehr geordnet, dass auf Anhieb dasjenige gefunden wird, was der eigentliche Beweggrund für die Suche in der Büchersammlung gewesen wäre; auf der Suche wird noch viel mehr wiedergefunden und neuentdeckt.

Schön, dass die NZZ Blicke in die privaten Bibliotheken von Damen und Herren gewährt. Gleichzeitig zeigen die Berichte, dass Unordnung auch eine Ordnung sein kann und man sich beim Bändigen der eigenen, wenngleich auch viel bescheideneren, Büchersammlung Zeit lassen kann, bis sich die Ordnung von alleine ergibt.

Folgend noch die Links zu den lesenswerten Artikeln, die in der NZZ erschienen sind:

Update vom 2.12.07: Passend dazu auch der Text, der am 21. April 2006 bei der Wiener Zeitung erschien: Wer hat meine Bücher?

Geflickt und aufgesprochen (62)

Die Tasche ist zurück, es kann endlich wieder Freitag werden. Die Ecken wurden richtig gut geflickt, ich hätte nicht gedacht, dass es so kleine Spuren geben wird. Die Dres. Taschenärzte gehen weniger mit roher Gewalt daran als diejenigen, die am Kiefer rumwerkeln. Von der Schwellung ist an der Tasche nicht viel zu sehen: ein paar Stellen, die noch mehr an Lilien erinnern als die anderen, ansonsten scheint die Operation «Eckenflicken» genauso wie die Operation «Schnallenflicken» planmässig abgelaufen zu sein.

Weniger planmässig geht ein Telefongespräch vor sich, wenn ein Anrufbeantworter dazwischen geschaltet wird. Statt der erwarteten zeitlichen Unmittelbarkeit interveniert plötzlich ein Gerät, das teilweise versucht, den Gesprächscharakter aufrecht zu erhalten, anderseits aber dies eben durch die zeitliche Distanz verunmöglichen. Das Seminar «Fernmündlichkeit» fördert immer wieder interessante kommunikative Eigenheiten von medialem Sprechen zutage.

So haben wir am Material auch gesehen oder vielmehr gehört, dass der automatische Anrufbeantworter eigentlich ziemlich absurd ist:

guete obig frau *? da isch * vo de * ZÜRI. frau * – si händ mich=äh geschter versuecht zerrEIche=ich bin=äh abwesend gsi (.) äh jetzt han ichs=äh probiert– (.) leider erfOlgslos‘ ).= äh si chöne mich gern uf de telfonnumere 043 (*) erreiche. beschte dank und=äh schöne obig no.

* Aus Gründen der Diskretion wurden Namen ausgespart.

Ein «Gespräch», das kein eigentliches Gespräch ist, aber dennoch einige Charakteristiken eines Gesprächs trägt. Kommunikation, die nur zeigt, dass man zu einem Gespräch bereit gewesen wäre, aber leider keines zustande gekommen ist. Und erst noch Widerspruch in sich: Der Mann hat nicht erfolglos «probiert», schliesslich kommuniziert er im gleichen Moment mit dem automatischen Beantworter.

iphone_rufnummern

Foto: Asmythie, nach Creative Commons lizenziert.

Brauchen wir Beantworter überhaupt noch im Zeitalter der Rufnummernanzeige? Ist der soziale Nutzen des Zeigens, dass man an den anderen gedacht hat und «probiert» hat so gross, dass Anrufbeantworterkommunikation nicht vom Email abgelöst wird?

Für Analysen zu Problemen der Anrufbeantworterkommunikation möge man Knirsch konsultieren. Er hat seiner Dissertation ein Korpus von rund 400 Transkripten beigefügt.

Rainer Knirsch (2005): ‹Sprechen Sie nach dem Piep›. Kommunikation über Anrufbeantworter. Eine Gesprächsanalytische Untersuchung, Tübingen, Niemeyer. (= RGL 260)

PS: Dies erscheint hier, weil man – nebenbei bemerkt – Anrufbeantworterkommunikation auch herrlich unter textlinguistischen Merkmalen analysieren kann. Durch die Dekontextualisierung (vor allem zeitlich, aber auch örtlich), werden deiktische Mittel in einigen Situationen zum komischen Element.

Parallel: Gamen und Erzählen (61)

Schon das Beispiel Claude Cueni, der das Präventions-Computerspiel «Catch The Sperm» für das Bundesamt für Gesundheit erfunden hat, zeigt eine gewisse Parallele zwischen dem Erzählen und der Kreation eines Computerspiels. Nicht dass die Episoden von «Catch The Sperm» sich durch wahnsinnige Plots charakterisieren würden, aber sie haben eben Plots. Claude Cueni verdient auch Geld als Schriftsteller, dass die Plots (und vielleicht auch der Stil) da besser sind als bei «Catch The Sperm», will ich hoffen. Die Bücher sind meistens ziemlich wuchtig.

Neuerdings wird mit Martin Ganteföhr ein Beispiel eines Computerspiel-Designers vorgeführt, der sich auf die Kunst des Narrativen im Computerspiel versteht. Es werden regelrecht Geschichten erzählt, wenn man dem Bericht der Telepolis Glauben schenkt. Von traditionellen Game-Heften werden Spiele wie «Overclocked» allerdings nicht allzu positiv bewertet, da sie sich anscheinend zu sehr auf die technische Umsetzung eines Computerspiels fixieren.

Ganteföhr kommt von der strukturalistischen Literaturwissenschaft her und hat sich mit Mythen beschäftigt. Er sieht Computerspiele viel mehr in einem Kontext der Gesamtkultur als durch eine rein technische Brille. Er meint sogar, dass die fotorealistischen Charaktere dem Computerspiel nicht unbedingt zuträglich sei, schliesslich wolle der Spieler auch seine eigene Phantasie mit einbringen.

Mit der Vorstellungskraft und Phantasie hat wohl das narrative Computerspiel Parallelen zur Erzählung oder gar zum Text als solches: Der Rezipient muss sich aktiv betätigen, damit das Spiel bzw. die Erzählung fortschreiten kann. Dies sei auch gleich die Schwierigkeit, meint Ganteföhr im Telepolis-Interview: «Die Wirkung eines ernsten Spiels entfaltet sich oft erst nach Stunden, und während derer darf man den Spieler nicht verlieren.»