Archiv der Kategorie: Gedanken

Ferngesteuert von Ausserirdischen (128)

Von Glück kann reden, wer des Nachts einen guten Schlaf findet. Nicht jeder findet gleich einfach den Schlaf, wird gestört durch Geräusche von der Aussenwelt oder sonstwie. Anscheinend gibt es auch die andere Sorte: diejenigen, die sich gar nicht beirren lassen wollen, selbst dann nicht, wenn Ausserirdische die Kontrolle über einen ergreifen.

Als heissen Tipp habe ich diese Woche den Pixar Film Lifted empfohlen bekommen. Ein Kurzfilm, der sich in der Tube anschauen lässt. Wie so oft bei den Pixar-Kurzfilmen muss man einfach lachen. Ich erinnere mich an den Film mit den liebenswürdigen Greisen, die Schach spielen. Ob es den auch in der Tube gibt (Hinweise hierzu werden dankend angenommen!)?

Wer virtuos mit Schaltbrettern umzugehen weiss, hat grosse Chancen, im nächsten Leben als Ausserirdischer auf die Welt zu kommen. Vielleicht kann er dann den Menschen das ein oder andere zurückzahlen, was sie ihm angetan…

Was Wiki weiss (127)

Auseinandersetzungen mit Namen können erhellend sein. Mit wem teilt man seinen Namen? Wer hört auf die gleiche Lautkombination wie man selbst? Manchmal sind Namen ab dem ersten Moment verbindend, weil man sich merken kann, zu welchem Gesicht der eigene Name auch noch gehört.

Narzisstisch veranlagt wie man ist, möchte man Bilder ansehen, die den eigenen Namen tragen. Manchmal tippt man den eigenen Namen, so peinlich wie es scheinen mag in die Maschine ein. Man tippt in eine Maschine, die alles zu wissen scheint, den eigenen Namen zu kennen vorgibt und einem den Spiegel der eigenen Identität vorhält.

Bei Wiki lernt man beispielsweise, dass unter dem eigenen Vornamen auch noch unzählige Mitglieder der Claudier gemeint waren, marginalisiert den Eindruck, einen eigenständigen Namen zu haben. Auch die Listung von Bischöfen oder gar römischen Kaisern.

Die deutsche Übersetzung des lateinischen Adjektivs claudius anschaunend, bringt Dinge ans Tageslicht, die man nie entdeckt hätte, wenn es die liebe Wiki nicht gegeben hätte: Ein Hinkender oder Lahmer sei man und erst noch ein Verschlossener. Ich bin schon fast daran, ins Wasser zu fallen, das mir Spiegel ist. Vielleicht wäre Konzentration auf sich selbst viel besser als sich einen Spiegel vorzuhalten, der demokratisch zusammengesetzt eine Meinung zu einem Namen zeigt, der zwar für die eigene Identität wichtig, aber nicht bezeichnend zu sein scheint.

Manchmal wird man gegrüsst mit Namen, die nicht die offiziellen sind und ist damit vielleicht besser bedient. Und noch besser ist man bedient, wenn man nicht dauernd das Gefühl hat, man müsse bei sozialen Netzwerken seine Identität aufpolieren. Viel besser, wenn man erst gar keine zweite Identität hat. Eine reicht im Normalfall aus, wird sogar als Normalfall angesehen.

Wir Leser (125)

Wir tun es jeden Tag, nehmen dabei nicht einmal mehr war, was wir tun: Wir lesen Buchstaben, reihen Wörter, Phrasen und Sätze aneinander und wundern uns nicht einmal darüber, warum eigentlich? Sie tun es in eben diesem Moment auch.

Sobald der Sprung einmal geschafft ist, lesen wir ohne Mühe. Es ist vom Sprung der Alphabetisierung die Rede, die einem so viele Tore öffnet, die ganze Welten entstehen lässt, wenn man den Schilderungen erfahrener Leser, die vom Glück erzählen, das sie erleben, seit sie lesen, Glauben schenkt.

Dass der Weg zu diesem Glück nicht ganz so einfach ist, erleben immer wieder Menschen, denen das Geheimnis hinter den Buchstaben verschlossen bleibt, weil sie nicht in genügendem Mass an die Schriftkultur gewöhnt wurden. Ein schwieriges Befangen, denn wie soll man sich in einem Datendschungel wie dem Internet zurechtfinden können, wenn man nicht die Macht über die Zeichen inne hat?

Wenn wir uns zurückerinnern, ganz gleich, nach was für einem System man auch immer an die Buchstaben gewöhnt worden sein mag, musste man eine Verbindung zwischen dem abstrakten Bildchen und dem Laut, der dahinter stecken soll, herstellen. Dass hinter einem A auch tatsächlich der Buchstabe des Affen stehen soll und nicht derjenige des Nilpferds. Im Schulzimmer war – so entnehme ich es meiner Erinnerung – oben an der Wandtafel ein Alphabet abgebildet, das waren diese komischen Bildchen, und unterhalb ein Bildchen von einem Äffchen oder sonst bekannten Gegenstand.

Wir vertrauten der Lehrerin, und liessen uns in diese geheimnisverheissende Welt einführen, die uns einen Schritt näher zu den Erwachsenen bringen würde. Wir schrieben uns die Finger wund, bis wir die Buchstaben in perfekter Form vor uns stehen sahen. Dann sollten wir uns auch merken, welcher Laut dazu gehörte.

Aber bei dem, was das Lesen ist, waren wir da noch nicht angekommen, denn was nützt es, wenn man die einzelnen Buchstaben schreiben und erkennen kann? Ein Buchstabe kommt nämlich äusserst selten allein. Lautes Vorlesen wurde deshalb auch immer wieder geübt. Nicht so, dass wir zuerst leise vorbuchstabieren sollten, sondern gerade beim ersten Mal laut vorlesen! Damit man sich in der Schule nicht blamierte vor denen, die sowieso schon seit dem Kindergarten den Weg in die Schrift gefunden hatten, las man zu Hause umso mehr.

Laut vorlesend und über die Ohren das aufnehmend, was auf dem Blatt stand, konnte man einen Sinn sich erschliessen aus dem, was man da vor sich hin buchstabierte. Aber das klang so fremd, denn wo sprach man denn so, wie man las? Das, was uns als «Hochdeutsch» verkauft wurde, ein zusätzliches Mysterium, brachte uns in zusätzliche Schwierigkeiten, aber machte das Lesen wohl noch spannender.

Wenn man heute versuchen würde, Buchstaben nicht zu lesen, sondern sie bloss als Bild anzusehen, den Wörtern nicht zu folgen, sondern eine abstrakte Bildkomposition darin zu sehen, muss man dies zuerst erlernen. Buchstaben nicht mehr lesen zu können, wenn man einmal in das Geheimnis der Buchstabenkrämerei eingeführt wurde, soll fast unmöglich sein. Vielleicht ein so schwieriger Weg wie das Erlernen des Lesens selbst.

EM allerseits (123)

In Zürich steht schon seit langer Zeit am Hauptbahnhof eine Tafel, die einem fast leid tun müsste, wenn wann nicht wüsste, dass dies ihr Job ist: Sie zählt rückwärts. Und zwar die Minuten, die Stunden und Tage, man war gnädig mit der lieben Uhr, dass sie nicht auch noch die Sekunden im Rücklauf anzuzeigen hat.

Gleicherorts werden die Bahngäste auf den Perrons mit wunderhübschen Plakaten empfangen, welche die Vorfreude auf die EM vergrössern soll. Die Schweiz wird auf die EM eingestimmt. Jeder Bürger und jede Bürgerin hat sich auf das sportliche Grossereignis zu freuen, es sei eine Chance für die Schweiz als Gastgeberland, hört man allerseits.

Grosse Enttäuschung war bei den einen deshalb auch zu vernehmen, als die UBS Arena in Winterthur von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern gottlob nicht goutiert wurde. Den Beizerinnen und Beizern gehe so massenhaft Umsatz verloren, schliesslich würden dann alle nach Zürich gehen, um sich das Riesenspektakel anzusehen, denn da gebe es einen Stadtpräsidenten, der sich für den Fussball einsetze.

Um eine andere Zeit an einem anderen Ort, gerade von einem schönen Wochenende aus Frankreich zurückgekehrt, noch kurz einen Abstecher bei McDonalds machend, um eine der Toiletten zu benutzen. Nichts Schlimmes dabei denkend und aus hygienischen Gründen das Pissoir benutzend, wird man aus den schönen Erinnerungen an die schönen Tage in Sarko-Land auf den Boden der Realität oder vielmehr auf den Rasen der Realität zurückgeholt. Da darf man doch tatsächlich lesen, dass die Schweizer Nationalmannschaft bestimmt gewinnen werde, wenn jeder Spieler so gut treffe wie der Benutzer der Steh-Toilette. Die Pfützen auf dem Boden hat ausser mir wohl niemand gesehen?

Nochmals andere Zeit und noch ein anderer Ort, wieder mal aus hygienischen Gründen ein Steh-WC benutzend, entdeckt man noch ein tolles Stickerchen, das an der Porzellanschüssel angebracht ist. Ein Hologramm (wohl als Zielrichtung gedacht), offenbart beim Nasswerden einen Ball, der vor dem EM-Fieber noch nicht da war.

Wo kann man dem Massenereignis noch entkommen? Die Verbindung von Fussball und Toilette, ein Vorzeichen, das man sich ernsthaft durch den Kopf gehen lassen müsste? Oder gar Fussball als Kloaken-Produkt?

Zur Beruhigung: Das soll mein erster und letzter Beitrag zur Fussbal-EM 2008 bleiben.

Bibliothek im Wabenmuster

Die Idee schwirrt schon lange im Kopf herum. Es müsste doch möglich sein, eine wabenförmige Bibliothek zu bauen. Bienenwaben sind in ihrer Form nämlich äusserst gelungene Fabrikate. Sechs Ecken und jede Wabe fügt sich aus den einzelnen Zellen zusammen, die sich in einer nahezu perfekten Gestalt aneinanderschmiegen. In diesen Zellen werden Larven aufgezogen, Honig und Pollen gelagert.

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Das Modell, das uns die Bienen mit ihren Waben aufdrängen, sollten wir für die Organisation unseres Wissens genauer ansehen. An einem einzigen Ort werden die wichtigsten Aufgaben eines Bienenvolkes gelöst: Das Problem des Nachwuchses, die Versorgung mit Energie und die Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln. Um die Problematik des Nachwuchses kümmern sich die Bienen schon von Anfang an, sie leben ihr Leben zu einem grossen Teil dafür, ihren Nachwuchs zu füttern und aufzupäppeln. Eine Gesellschaft, deren Rohstoff Wissen und Ausbildung ist, sollte – wie die Bienen – mit Nachdruck dafür sorgen, dass ihr Nachwuchs in einer guten Form mit ihrem Rohstoff und mit ihren Aufgaben sozialisiert werden.

Die Versorgung mit der Energie, die in der Bienenwabe mit dem Honig in einer süssen Form vorliegt, muss in der Gesellschaft unter äusserster Anstrengung gesucht werden. Wer sich Wissen aneignen will, soll eine Zugang dazu bekommen und sich von der Energie, die in den Waben gespeichert ist, ernähren und mit dieser Nahrung eine Grundlage fürs Leben schaffen. In einer Gesellschaft, in der Wissen eine wichtige, ja gar eine primäre Rolle spielt, sollte das honigsüsse Wissen auch so behandelt werden. Niemand soll verkümmern müssen, Information und Wissen soll zugänglich sein.

Der Erwerb von Wissen und von Fähigkeiten, sich selbst den Zugang zu allem Möglichen zu verschaffen gehört in einem solchen Umfeld auch dazu. So wie sich die Bienen gegenseitig helfen, eine neue Zelle innerhalb der Wabe zu erschaffen, sollte es dazu gehören, dass sich die Wissens(er)arbeiter gegenseitig unter die Arme greifen und in ihren Zielen unterstützen.

Das also ist die Idee von der Bibliothek im Wabenmuster, aber sie geht noch weiter, denn nicht nur die Möglichkeit der gegenseitigen Hilfe ist in dieser Bibliothek wichtig, sondern auch die Möglichkeit, sich aus sich selbst zu erweitern. So wie die Bienen immer wieder neue Zellen an die Waben anschliessen, um sich den veränderten Bedingungen anzupassen, muss eine Bibliothek, die sich auch als Archivarin von zeitgenössischem Schaffen sieht, immer wieder den kulturellen Bedingungen anpassen. Sie soll dazu bereit sein, eine neue Zelle in das bestehende Wabenmuster einzubauen, auch dies in der gegenseitigen Hilfe.

Die Bibliothek im Wabenmuster müsste eine offene Stätte sein für alle Arten von Bienen, die sich innerhalb der Wabenwände wohl fühlen und am gemeinsamen Werk mitarbeiten wollen.

So viel zu den schwirrenden Waben.