Archiv der Kategorie: Gedanken

Bloggen für die Pension (83)

Eine wahrlich kreative Idee, wie man im Alter Geld für seinen Lebensunterhalt bekommen kann, steuert Ashley Morgan, der Upstart Blogger bei.

Das Rezept klingt ganz einfach: Man verfasse jeden Tag einen Beitrag in seinem Blog und hat so nach einer Zeit von 30 Jahren rund 10950 Beiträge gesammelt. Dabei folgt man dem Motto «Steter Tropfen höhlt den Stein» und sammelt sich mit seinem Blog einen Wert an, der sich sogar in Geld ummünzen lassen würde.

Man könnte ganz einfach die Posts für Werbung zugänglich machen und sich so seinen AHV-Zusatz verdienen. Vom Risiko her geht man aber wohl mit einem Blog als Vorsorge ein ziemlich grosses Risiko ein. Gibt es in 40 oder gar 50 Jahren noch Blogs? Wird Web 2.0 überhaupt noch beachtet werden, wenn es denn erst Web 5.0 oder wie die Inkarnation vom Jahr 2053, meinem Pensionsjahr, gibt?

Klar muss man demjenigen Recht geben, der sagt, es sei auch nicht sicher, ob man es schaffen wird, die AHV bis zu diesem Datum – beziehungsweise lieber länger, wenn es nach meinen Interessen laufen soll – zu finanzieren. Man müsste halt einfach die Einträge, die man über die Jahre angesammelt hat, einfach immer an die neuesten technologischen Trends anpassen, dann könnte ein Blog zur AHV werden, wenn er denn von vielen Besuchern heimgesucht wird. Wenn aber zu viele diese Idee haben, wird sie wohl nicht funktionieren.

Denn umgekehrt als bei den Versicherungen und Vorsorgen, die nach dem Gesetz der grossen Zahl funktionieren, das heisst, je mehr Personen sich der Versicherung anschliessen, desto geringer wird das Risiko für den einzelnen, funktionieren Blogs wohl eher nach Marktprinzipien: Verdrängungswettbewerb um den besten Platz in den Rankings, sodass dann wohl nur gut platzierte Blogger wirklich eine Pension damit finanzieren könnten.

Seelese und Mammut (78)

Einmal die Zeit der Lektüre auf dem Zürisee zu verbringen ist eigentlich schon seit dem Anfang meines Studiums vor nun schon bald drei Semestern geplant. Ich stellte es mir unglaublich abwechslungsreich vor, einmal auf dem See zu lesen statt immer an Land. Das ZVV-Verbundsabo hätte es sogar erlaubt, ohne zusätzliche Kosten auf dem Zürisee eine Runde zu drehen und in fremde Welten einzutauchen. Jetzt kommt aber schon der zweite Winter und meine Füsse haben immer noch nicht auf einem Kursschiff am Zürisee gestanden. Eine ernüchternde Zwischenbilanz.

Dafür aber brachte mich ein Segelkurs des akademischen Sportvereins Zürich aufs Wasser (und ab und zu auch ziemlich unfreiwillig ins Wasser!). Das hektische Führen eines Katamarans erlaubte allerdings nicht, sich auf dem Boot in die Lektüre zu vertiefen, sondern    verlangte Konzentration auf Wasser, Wind und die ziemlich heimtückischen Wenden, die manchmal auch in einer Halse und im schlimmsten Fall im Kentern endete. Schon am ersten Tag wäre das Buch nass geworden. Da blieb einem nichts anderes übriges als die Lektüre auf der Strandliege zu bevorzugen.

Dass ich es erst vor kurzem endlich einmal ins Zoologische Museum der Universität Zürich geschafft habe, um zu erfahren, dass das vermeintliche Mammut nur ein Riesenfaultier ist, macht mich schon fast ein wenig stolz. Aber auch das Hochgefühl des Stolzes will hier relativiert sein, denn ganz ohne die Überredungskünste der Teilnehmer in meinem Tutorat wäre es wohl nicht so schnell gegangen, bis ich einen Tritt in die Heimat der ausgestopften Tiere gewagt hätte.
An irgendeinem schönen Sommertag werde ich es aber wohl doch noch schaffen, auf ein Schiff am Zürisee zu klettern.

Am besten wäre wohl der Termin der zweiten Jungfernfahrt der Panta Rhei, denn es wäre sowohl für den lesenden Passagier als auch für das Schiff zum zweiten Mal Premiere auf dem Zürisee.

Blogger lesen kein Papier (77)

Bis jetzt haben sich erst zwei Blogger an der Blogparade zur Lektüre auf dem Nachttisch beteiligt. An was mag das liegen? – Eine allgemeine Abneigung von Bloggern gegenüber Blogparaden? – Das wohl eher weniger, wer auf slug.ch nur schon das Wort «Blogparade» eintippt, findet am 17. Januar 2008 über 180 Beiträge, die etwas mit Blogparaden zu tun haben.

Lesen Blogger gar nicht?

Der Hund liegt wohl an einem anderen Ort begraben, aber wo denn bloss? Ist es so, dass Blogger – weil sie zu viel schreiben – schlichtwegs keine Zeit zum Lesen aufbringen können? Auch daran kann es wohl nicht unbedingt liegen, denn viele Leute bloggen über das, was sie gerade im Internet gelesen haben.

Amazon trägt Schuld

Wie wir unlängst lesen konnten, wird Papier vom Amazon Kindle zurückgedrängt, einem Gerät, das sich anscheinend gut zum Lesen ab Bildschirm eignet. Nicht nur scheint das Ding viel leichter zu sein als wenn man sich tonnenweise Papier in den Koffer packen müsste, er verdrängt gleichzeitig den Bücherberg vom Nachttischchen.

Wer dennoch – wie Goggi oder André – noch Bücher auf dem Nachttisch hat, kann sich ja noch bis zum 29. Februar an der Blogparade beteiligen.

Bologna-Barriere (59)

Dass Bologna mit Punkten einhergeht, wissen die meisten, diejenigen Studierenden, die nach dem «alten» System studieren, zeigen wenig Verständnis für die Sammlerei. Man darf sich bissige Kommentare anhören, wann es denn eine Punkte-Aktion wie bei Migros oder Coop mit deren jeweiligen Punktesammel-Karten gebe.

Das geht ja noch. Und als einer, der unter dem régime de Bologne studiert, stören diese kreativen Kommentare von älteren Studierenden gar nicht mehr. Auch die Professoren scheinen sich langsam aber sicher an dieses neuartige System zu gewöhnen und schiessen nicht mehr mit Kanonen auf die armen Bologna-Spatzen im ersten Semester, schliesslich können die Spatzen am allerwenigsten für diese Reform und deren Umsetzung. Für die Umsetzung sind diejenigen, die an den Kanonen stehen grösstenteils selbst verantwortlich.

Was mir aber seit diesem Wochenende erst richtig bewusst wird, ist die Barriere, die zwischen dem Bachelor und dem Master aufgebaut wird. Für Studiengänge an der Philosophischen Fakultät, wo man nicht ein Fach zu 180 Punkten für den Bachelor belegt, sondern gleichzeitig Haupt- und Nebenfächer studiert, scheint der Bachelor-Abschluss nicht nur Vorteile zu haben.Man wird überall gefragt, was man denn überhaupt nach einem geisteswissenschaftlichen Studium machen könne.

Da wird es wohl wenig Leute geben, die sich ernsthaft überlegen, nach dem Bachelor für immer aufhören zu studieren. Auch die Mobilität, die im Rahmen der Bologna-Programme so gerühmt wird, scheint eher erschwert zu werden als vereinfacht, denn wer gedacht hat, dass man an der Universität Zürich gleich viele Punkte für die gleichen Module bekommt wie an der Universität Bern, hat sich getäuscht. Inwiefern Module wirklich angerechnet werden können, wird sich erst noch zeigen müssen.

Dass die Mobilität vereinfacht wurde, scheint wohl eher zuzutreffen für das Studium der verschiedenen Stufen: Bachelor in Zürich, Master in Amerika und die Titel werden gegenseitig anerkannt, um zu einem PhD-Studium zugelassen zu werden.Zwischen den verschiedenen Stufen von Bachelor und Master wurde vielmehr auch eine Barriere geschaffen, die Flexibilität nimmt: Während man im «alten» System mit den Hauptfächern schon das Hauptstudium aufnehmen konnte und mit den Nebenfächern noch im Grundstudium stecken konnte, funktioniert das mit den Stufen von Bachelor und Master nicht mehr. Wer zur Masterstufe zugelassen werden möchte, braucht einen Abschluss als Bachelor. Dafür braucht es abgeschlossene Haupt- und Nebenfächer… Wer also nicht die 30 Punkte pro Semester (um in 3 Jahren den Bachelor zu bekommen) oder mit der Nebenfachwahl nicht zufrieden ist und dann die Entscheidung trifft, diese Nebenfächer zu wechseln, kann in eine Sackgasse kommen: In den Nebenfächern muss man nur noch wenige Sachen machen, die keine dreissig Punkte für das Semester geben, mit dem Hauptfach kann man nicht weitermachen, um dann Punkte zu sammeln.

Der einzige Ausweg bleibt wohl, während der nächsten Italienreise wirklich einmal in Bologna auszusteigen und den Platz anzuschauen, an dem man zu solch bürokratischen Entscheidungen fähig wird. Ein Architekt im Zug von Florenz meinte, die Stadt sei ganz ansehlich. Und also Bologna-Student sollte man die älteste Universität Europas, an der solche Pläne geschmiedet werden, schon kennen.

Ausserdem: Trost spendet da, dass die Liz-Prüfungen die Kandidatinnen und Kanditaten wohl auch vor ziemlich grosse administrative Berge stellen.

Fäden ab, Leder an. (58)

Während die unnötigen Fäden, die von der Entfernung gewisser Zähne zeugten, entfernt wurden und der Mund sich wieder wie eine wirkliche Öffnung zur Aufnahme lebensnotwendiger Objekte verhält, wartet ein anderer Teil meines Besitzes darauf, Fäden spendiert zu bekomen.

Die Rede ist von meiner heiss geliebten Tasche, schön zum Wochentag passend, leider aber an den Ecken der Blachen ausfransend und von der jahrelangen Transporttätigkeit zeugend. Zuerst im Einsatz bei den Helfern der Globalisierung, Waren schützend, die bereits einen langen Weg zurückgelegt haben, Stürmen auf dem offenen Meer standgehalten und selbst die strengen Kontrollen am Hafen Basels passiert.

Eben diese schützenden Blachen, sind zu diesem Zeitpunkt Opfer und gleichzeitig Objekt einer Revision. Nicht nur die ausfransenden Ecken der Blachen, auch die Schnallen des Gurtes wollen erneuert werden. Denn diese haben besonders gelitten unter dem Druck der Bücher und zahlreichen Strapazen des Velo-, Pendler- und Touristenlebens.

Kurzerhand musste ein Ersatz her. Ein Ersatz, der nicht wirklich ersetzt, nachdem auch schon provisorische Ersatzmöglichkeiten gefunden wurden: Durchsichtige Plastiksäcke, die den gläsernen Bürger zur Realität machen. Oder Taschen von Laptops, die gleichsam unansehlich wie praktisch sind und deshalb den Zugsalltag nicht überleben wollen. Den Dienst will die andere, sich in Revision befindende, Tasche nach erfolgtem Telefon und fachgerechter Abholung wieder aufnehmen, in reduziertem Ausmass, das versteht sich von selbst, und nur noch, wenn viele Bücher und stromfressende Bücher transportbedürftig werden. Sonst helfen ab jetzt Tanten und Onkel mit Luc dabei, die wichtigste Habe von A nach B zu bringen.

tasche_luc

Bild: © Aunts & Uncles

Mit Büchern ist es diesem Wunderding aus Leder auch richtig wohl ums Herz. Schliesslich durfte es heute schon einmal zuschauen dabei, wie ein bestelltes Büchlein vor lauter Blätterrascheln nicht mehr gefunden wurde. Aber verständlich ist es natürlich, wie hätte man auch dieses einzelne Büchlein unter den vielen anderen gelben mit der spezifischen RUB-Nummer finden sollen? Wegen des keifenden Ehepaars, das sich darin dem Leser zur Schau stellt und eigentlich genug laut hätte rufen können? In diesem Laden hatte es wohl zu viele keifende Ehepaare, die mitkommen wollten.

Es war ja gar nicht so dringend. Schliesslich tut es nur gut, noch ein bisschen länger allein unter dem Zauberberg begraben zu liegen. Und Joseph Roths Russlandreise wartet auch noch dieses Wochenende. Das keifende Ehepaar kann also warten, bis es genug laut schreit und sich genug dreist anlügt.