Von der grünen Fee und Sontga Margriata

Eine andere Sicht der Mythen als diejenige von Dannie mit dem Swiss Myth zeigt das Schweizer Fernsehen mit ihrer Produktion «Mysteriöse Schweiz». Sie ist weniger der politischen Vereinnahmung der Sagenwelt als vielmehr dem kulturellen Aspekt der Sagenwelt verpflichtet.

In dieser Serie von dreizehn Geschichten werden Sagen, Mythen und Geschichten erzählt, die mit verschiedenen Orten der Schweiz verbunden sind. Oft handelt es sich um Geschichten mit Feen und anderen sagenumwobenen Wesen, die Einfluss auf die Bewohner oder Besucher dieser Orte auswirken sollen.

Teilweise werden sie gar geschildert als magische Wesen, die Gegenstände bewegen können oder gar Gerüche ausbreiten, die den Tod eines Gemeindemitglieds ankündigen.

Die dreizehn Kurzsendungen zum Thema der Mythen, des Mystischen und der Sagen versucht, verschiedene Regionen der Schweiz mit ihren Kameras aufzudecken. So macht die Kamera nicht halt vor der Sontga Margriata, einer Alpengöttin, die in einem uralten rätoromanischen Lied besungen wird oder der grünen Fee, die im neuenburgischen Val-de-Travers auftaucht, wenn Absinth mit Absinthlöffel und Würfelzucker genossen wird, was auch der Anreiz für die Schwarzbrennerei gewesen sei.

Die Sendung kann auch als Podcast abonniert und heruntergeladen werden.

Bologna-Barriere (59)

Dass Bologna mit Punkten einhergeht, wissen die meisten, diejenigen Studierenden, die nach dem «alten» System studieren, zeigen wenig Verständnis für die Sammlerei. Man darf sich bissige Kommentare anhören, wann es denn eine Punkte-Aktion wie bei Migros oder Coop mit deren jeweiligen Punktesammel-Karten gebe.

Das geht ja noch. Und als einer, der unter dem régime de Bologne studiert, stören diese kreativen Kommentare von älteren Studierenden gar nicht mehr. Auch die Professoren scheinen sich langsam aber sicher an dieses neuartige System zu gewöhnen und schiessen nicht mehr mit Kanonen auf die armen Bologna-Spatzen im ersten Semester, schliesslich können die Spatzen am allerwenigsten für diese Reform und deren Umsetzung. Für die Umsetzung sind diejenigen, die an den Kanonen stehen grösstenteils selbst verantwortlich.

Was mir aber seit diesem Wochenende erst richtig bewusst wird, ist die Barriere, die zwischen dem Bachelor und dem Master aufgebaut wird. Für Studiengänge an der Philosophischen Fakultät, wo man nicht ein Fach zu 180 Punkten für den Bachelor belegt, sondern gleichzeitig Haupt- und Nebenfächer studiert, scheint der Bachelor-Abschluss nicht nur Vorteile zu haben.Man wird überall gefragt, was man denn überhaupt nach einem geisteswissenschaftlichen Studium machen könne.

Da wird es wohl wenig Leute geben, die sich ernsthaft überlegen, nach dem Bachelor für immer aufhören zu studieren. Auch die Mobilität, die im Rahmen der Bologna-Programme so gerühmt wird, scheint eher erschwert zu werden als vereinfacht, denn wer gedacht hat, dass man an der Universität Zürich gleich viele Punkte für die gleichen Module bekommt wie an der Universität Bern, hat sich getäuscht. Inwiefern Module wirklich angerechnet werden können, wird sich erst noch zeigen müssen.

Dass die Mobilität vereinfacht wurde, scheint wohl eher zuzutreffen für das Studium der verschiedenen Stufen: Bachelor in Zürich, Master in Amerika und die Titel werden gegenseitig anerkannt, um zu einem PhD-Studium zugelassen zu werden.Zwischen den verschiedenen Stufen von Bachelor und Master wurde vielmehr auch eine Barriere geschaffen, die Flexibilität nimmt: Während man im «alten» System mit den Hauptfächern schon das Hauptstudium aufnehmen konnte und mit den Nebenfächern noch im Grundstudium stecken konnte, funktioniert das mit den Stufen von Bachelor und Master nicht mehr. Wer zur Masterstufe zugelassen werden möchte, braucht einen Abschluss als Bachelor. Dafür braucht es abgeschlossene Haupt- und Nebenfächer… Wer also nicht die 30 Punkte pro Semester (um in 3 Jahren den Bachelor zu bekommen) oder mit der Nebenfachwahl nicht zufrieden ist und dann die Entscheidung trifft, diese Nebenfächer zu wechseln, kann in eine Sackgasse kommen: In den Nebenfächern muss man nur noch wenige Sachen machen, die keine dreissig Punkte für das Semester geben, mit dem Hauptfach kann man nicht weitermachen, um dann Punkte zu sammeln.

Der einzige Ausweg bleibt wohl, während der nächsten Italienreise wirklich einmal in Bologna auszusteigen und den Platz anzuschauen, an dem man zu solch bürokratischen Entscheidungen fähig wird. Ein Architekt im Zug von Florenz meinte, die Stadt sei ganz ansehlich. Und also Bologna-Student sollte man die älteste Universität Europas, an der solche Pläne geschmiedet werden, schon kennen.

Ausserdem: Trost spendet da, dass die Liz-Prüfungen die Kandidatinnen und Kanditaten wohl auch vor ziemlich grosse administrative Berge stellen.

Fäden ab, Leder an. (58)

Während die unnötigen Fäden, die von der Entfernung gewisser Zähne zeugten, entfernt wurden und der Mund sich wieder wie eine wirkliche Öffnung zur Aufnahme lebensnotwendiger Objekte verhält, wartet ein anderer Teil meines Besitzes darauf, Fäden spendiert zu bekomen.

Die Rede ist von meiner heiss geliebten Tasche, schön zum Wochentag passend, leider aber an den Ecken der Blachen ausfransend und von der jahrelangen Transporttätigkeit zeugend. Zuerst im Einsatz bei den Helfern der Globalisierung, Waren schützend, die bereits einen langen Weg zurückgelegt haben, Stürmen auf dem offenen Meer standgehalten und selbst die strengen Kontrollen am Hafen Basels passiert.

Eben diese schützenden Blachen, sind zu diesem Zeitpunkt Opfer und gleichzeitig Objekt einer Revision. Nicht nur die ausfransenden Ecken der Blachen, auch die Schnallen des Gurtes wollen erneuert werden. Denn diese haben besonders gelitten unter dem Druck der Bücher und zahlreichen Strapazen des Velo-, Pendler- und Touristenlebens.

Kurzerhand musste ein Ersatz her. Ein Ersatz, der nicht wirklich ersetzt, nachdem auch schon provisorische Ersatzmöglichkeiten gefunden wurden: Durchsichtige Plastiksäcke, die den gläsernen Bürger zur Realität machen. Oder Taschen von Laptops, die gleichsam unansehlich wie praktisch sind und deshalb den Zugsalltag nicht überleben wollen. Den Dienst will die andere, sich in Revision befindende, Tasche nach erfolgtem Telefon und fachgerechter Abholung wieder aufnehmen, in reduziertem Ausmass, das versteht sich von selbst, und nur noch, wenn viele Bücher und stromfressende Bücher transportbedürftig werden. Sonst helfen ab jetzt Tanten und Onkel mit Luc dabei, die wichtigste Habe von A nach B zu bringen.

tasche_luc

Bild: © Aunts & Uncles

Mit Büchern ist es diesem Wunderding aus Leder auch richtig wohl ums Herz. Schliesslich durfte es heute schon einmal zuschauen dabei, wie ein bestelltes Büchlein vor lauter Blätterrascheln nicht mehr gefunden wurde. Aber verständlich ist es natürlich, wie hätte man auch dieses einzelne Büchlein unter den vielen anderen gelben mit der spezifischen RUB-Nummer finden sollen? Wegen des keifenden Ehepaars, das sich darin dem Leser zur Schau stellt und eigentlich genug laut hätte rufen können? In diesem Laden hatte es wohl zu viele keifende Ehepaare, die mitkommen wollten.

Es war ja gar nicht so dringend. Schliesslich tut es nur gut, noch ein bisschen länger allein unter dem Zauberberg begraben zu liegen. Und Joseph Roths Russlandreise wartet auch noch dieses Wochenende. Das keifende Ehepaar kann also warten, bis es genug laut schreit und sich genug dreist anlügt.

Lieber Entschwellung statt Viagra (57)

Die Spam-Sammelaktion, die ich vor noch nicht ganz zwei Wochen hier gestartet habe, trägt wohl schon Früchte. Seit diesem Zeitpunkt hätte ich wohl schon einige Tonnen Viagra-Tabletten bestellen können.

Viel dienlicher wären im Moment wohl schwellungslindernde Wundermittelchen. Das Lehenssystem wurde aber Gott sei dank abgeschafft. Die Wangen eines Hamsters sind im Vergleich mit den Meinigen gar keine richtigen Wangen und schon gar keine «Pfuusbagge».

Es fühlt sich an wie wenn jemand Ballone in den Mund gesteckt und diese soweit aufgeblasen hätte, bis die Oberflächenspannung kein weiteres Blasen mehr ermöglicht. Man ist zuversichtlich, denn bei jedem Ballon verschwindet über kurz oder lang die Luft, ganz einfach und wie über Nacht.

Die Zuversicht muss sich auch aus der Tatsache ergeben, dass man den Patienten wieder aus der Schale gelöst hat. Es kam ihm vor, wie wenn er in einem mære Hauptdarsteller wäre: Eingepackt in Tücher hörte er das Ticken der Uhr – die eine Sekunde ein Tick, die andere ein Tack – und das Einfliessen eines Gases in die Vakuummaschine.

Das mære hat nicht stattgefunden, der Patient wurde nicht für Tod erklärt; von dem Moment, der etwas länger dauerte als geplant, sind nur noch diverse Bauteile von Zähnen, Flecken im Gesicht und Murmeltierbacken übrig geblieben. Und natürlich die beschwerliche Art der Essensaufnahme.

Versuch einer Antwort auf Parallax I (56)

Dannie stellt wieder einmal schwierige Fragen in den Kommentaren zu Parallax I. Hier ein Versuch, auf die Frage, was ein «Schweizer Schriftsteller» sei, eine Antwort zu finden.

Dannie, du fragst, wie ich die «Schweizer Schriftsteller» charakterisieren würde. Eine schwierige Frage. Gerade auch deshalb, weil ich mich bei der Lektüre eines Textes nicht allzu sehr dafür interessiere, wo ein Autor gewohnt hat, als er den Text geschrieben hat.

Das lässt aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Verwendung des Begriffs «Schweizer Schriftsteller», so wie er von den Medien in der Folge des Wahlkampfs verwendet wurde, suggeriert, dass es etwas Spezielles wie die Schweizer Schriftsteller geben müsse. Ich begehe hier deshalb einen (fatalen) Versuch einer Antwort. Ausserdem ordnen viele Bibliotheken die «Schweizer Autoren» in speziellen Gestellen an. Dass man nicht immer auf die Kompetenz der Bibliothekare rechnen kann, zeigt auch das Beispiel, in dem Literaturwissenschaft zur Unterhaltung gemacht wird.

Es fällt mir genauso schwer, den Begriff des «Schweizer Schriftstellers» zu definieren, wie ich in Schwierigkeiten geraten würde, den «Schweizer» zu charakterisieren. Juristisch gesehen impliziert der Terminus eine klare Trennschärfe, nämlich diejenige der Staatsangehörigkeit. «Schweizer Schriftsteller» sind nämlich diejenigen Schriftsteller, die einen Pass der Confœderatio Helvetica besitzen.

Der juristische Terminus scheint mir aber hier nicht für sehr hilfreich, geht es doch darum auch einen Teil der Kultur und vielleicht sogar eine Zugehörigkeit zu derselben zu definieren.

Daran liegt es wohl gerade: wann gehört etwas zu einer Kultur, wann nicht? Der Bereich des Mythos ist hier wohl wirklich erst der Anfang, der aber – wie sich Stefan Zweifel im Tagi Magi aufregt – in letzter Zeit von Autoren zu sehr bemüht wird, um das klischeehafte Bild der Schweiz aufzuwärmen. Auch die Abgrenzung von einem grösseren Kulturkontext werde von Autoren heute betrieben, Zweifel spricht gar von einem Rückzug in die Provinz.

Hier sind wir aber auch gleich in einer Diskussion, die in Deutschland während den letzten Jahren geführt wurde, derjenigen der Leitkultur. Der Begriff wurde im Zusammenhang mit der Eingliederung bzw. Integration von Immigrierenden benutzt.

Ist ein «Schweizer Schriftsteller» ein Teil dieser Gruppe, die schweizerische Leitkultur herstellen? In diesem Zusammenhang gibt es Leute, die leiten auch mit führen übersetzen. Eine solche F*****kultur würde aber (hoffentlich) nicht unterstützt.

Soweit der unvollständige Versuch einer Antwort, der nur wieder einmal eine ganze Reihe Fragen aufwirft, die ich vorerst nicht zu beantworten wagen würde.