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Linguistik tötet

«Endlich lerne ich, wie man isst, ohne zu kleckern», dachte ich, als ich neulich im Bus neben zwei jungen Türkinnen sass. Die eine mit Kopftuch, die andere mit Kebab in der Hand. Wir haben es während der Kantizeit Mittag für Mittag geübt, dieses in Fladenbrot gerollte Fleisch mit köstlicher Sauce und «mit wenig Scharf» zu essen. Die Aufgabe der Zwiebelringe ist es, aus dem Kebab herauszufallen, diejenige der Sauce, die Hosenbeine zu schmücken.

Mehrere Stationen schaute ich zu, wie die Frau mit Kebab ihre Hände geschickt um den Kebab legte, um so Zwiebeln und Sauce zu bändigen. Sie beherrschte das Fleisch mit allen feinmotorischen Tricks. Finger um Finger isst sie sich dem Kebab entlang. Nur kleine  schmierige Reste lässt sie der Alufolie übrig.

Da beginnen sie zu schwatzen. Man horcht auf, versteht immer wieder Versatzstücke. Code-Switching denkt der linguistische Hirnbereich, schon gehört im Zusammenhang mit italienischen Migranten. Es wird immer gerade die Sprache verwendet, in der sich etwas am besten ausdrücken lässt. «Jupe» sagen sie auf Schweizerdeutsch, um dann auf Türkisch weiterzufahren.

Der Beobachter mischt sich ins Gespräch ein: «Macht ihr das bewusst, dass ihr die Sprache wechselt?» – «Weisst du, wenn du beide Sprachen gut kannst, passiert das automatisch.» Die Frau nebenan, die das Gespräch auch belauscht hat, lacht mit ihren Lippen. Schweigen.

Linguistik tötet Gespräche. Und beim Ausziehen war Sauce auf dem Schuh.

Herr Salaam

Er beschwört uns mit einem Salaam Aleikum, während er mühsam in den Bus steigt. Ein ältlicher Herr, Bart und lange Hosen, ein Türke nahe zur Grenze von Georgien. Er müsse erst später aussteigen, sagt er zum Busfahrer und seinem Gehilfen, aber wo genau wisse er im Moment nicht mehr.

Der jüngere Herr, anfangs zwanzig, der nach ihm einsteigt und den Platz neben Herrn Salaam einnimmt, zeigt weniger Freude am händeschüttelnden Salaam Aleikum und den herzlichen Augen. Schnell stöpselt er seine Ohren mit Kopfhörern zu, um nur noch Nebensächliches mitzubekommen: Gerüche und Bilder.

Bilder wie dieses
Bilder wie dieses

Er muss verpassen, was all die anderen von Herrn Salaam haben: Ein Anruf auf seinem Mobiltelefon mit modisch-türkischer Musik und dann ein Geschnatter, dem man leider nicht nachkommt. Dann aber hört man den Ton erneut. Man stellt fest, dass es sich keineswegs um die Musik eines Anrufers handelt: Der liebe Herr hört seine Musik auf seinem Handtelefon an. Mit Lautsprecher, so dass auch die Hinterbänkler etwas von ihm haben, der auf dem vordersten Sitz mitfährt. Der Busfahrer will wissen, an welchem Strassenrand der Herr aussteigen möchte. Allah, Allah, dazu die Musik von vorhin. Ob es da vorne sei? Allah, Allah, der Alte stellt seine Musik lauter, sein Kopf tänzelt dazu und immer noch Allah, Allah.

Die Leute schauen auf ihre Armbanduhren, schütteln den Kopf: Es sei noch nicht die Zeit der Imame. Währenddessen fährt im Fenster das Schwarze Meer vorüber, eine Teefabrik nach der anderen säumt das Ufer dieses Meeres, färben das Meer dunkel. Und endlich: Herr Allah, Allah verabschiedet sich von seinem Nachbarn, klappt sein Handy zu und drückt dem Busfahrer sein Geld in die Finger: Hier möchte ich aussteigen.