Wetter Irland: Sind die wegen der Sonne gekommen?

Das Gesprächsthema, mit dem man als Irlandreisender prototypischerweise konfrontiert wird, ist das Wetter. Warum fragt man sich da gar nicht mehr, wenn man einen Reiseführer konsultiert hat, es wird einem eine Niederschlagsmenge prophezeit, da können Wüstenbewohner nur neidisch werden, wenn sie wieder einmal einer Fata Morgana aufgesessen sind.

Dass aber selbst Iren manchmal vom Thema Wetter nicht abzubringen sind, hat ein kleines Erlebnis auf den Aran Islands gezeigt. Ein Inselgrüppchen, das von jedem Touristenführer angepriesen wird, man habe da wunderbare Aussicht auf die Klippen am Festland und auch von den Bewohnern her seien die Inseln einzigartig. Jenes kann ruhigen Gewissens bejaht werden; von der Aussicht auf die Klippen war bei unserem Ausflug nichts zu spüren. Vielmehr war der Himmel bedeckt von Wolken, Nebel verdeckte die Sicht und ein fieser Wind Blies um die Ohren.

Umso lustiger mussten da die Menschen auf uns Wirken, nachdem wir das Stampfen und Rollen der Fähre hinter uns gebracht hatten (und glücklicherweise in unseren Wanderschuhen guten Stand hatten im Gegensatz zu den Schülerinnen, die mit Flipflops und Minirock aufs Boot gestiegen sind). Man mache sich aber von den Wellen selbst ein Bild in meinem ersten Youtube-Video.

Fähre zu den Aran Islands

Am Strand begegnet uns ein Ire, der – hartgesotten wie man es sich vorstellt – die Nacht auf seinem Segelboot verbracht hat. Der Wetterbericht habe erstaunlicherweise einmal gestimmt, nein, das Wetter sei noch schlimmer gewesen als angesagt. Und dann berichtet er über beide Backen und mit beiden Augen lächelnd, dass dieser Mann dort oben, der Richtung Hafenstrasse läuft, aus Barcelona sei. Mit seinen Kollegen sei er hierher gekommen und ihren Frauen. Dass dieser so schnell weggeht kann man fast nicht begreifen. “I suppose they didn’t just become because of the sun.”, lässt den feinen irischen Sarkasmus zu uns hinübergleiten, und sieht, wie schnell dem EU-Mitgenosse der Wind aus den Segeln genommen wurde.

Der Karteikasten im digitalen Zeitalter

Wer sich gelegentlich Zitate aus Gelesenem notiert und die Notizen gerne weiterverwenden möchte, stösst analog schnell an seine Grenzen. Gedanken zu Zettelkästen und digitalen Zettelkästen weitergedacht.

Elektronische Weichware statt brüchiges Papier

Wenn man sich doch gleich von Anfang an für eine Software begeistern und entscheiden könnte, hätte man am Schluss nicht die doppelte Arbeit. Zuerst hatte ich ja gedacht, dass ich Zitate beim Lesen auf physischen Zetteln sammeln würde. Da habe ich ja auch noch ein Plädoyer für das gute alte Papier geschrieben. Zurückziehen soll man solche Plädoyers nicht, denn sie haben immer noch einen Punkt, der nicht vernachlässigt werden will: Das Suchen und zufällige Finden eines Zettels, den man gar nicht gesucht hätte, indem man blättert, geht mit der elektronischen Verschlagwortung verloren. Ein Nachteil, den man wohl verschmerzen mag, wenn man die Vorteile eines elektronischen Zettelkastens sieht.

Digitaler Datensalat

Ein grosses Problem hat ein analoger, also papierner Zettelkasten, schnell einmal mit digitalen Daten, die sich auf unseren Festplatten in immer grösseren Mengen anhäufen: Hier ein Schnipsel eines Musikstücks als mp3, da ein Bild, das man elektronisch gefunden hat, dort ein Digitalisat eines Films, den man auf Youtube heruntergeladen hat, sprich ein Haufen an verschiedenen Formaten, die alle an einen Ort gepresst werden wollen. Bilder könnte man ja immerhin noch ausdrucken, solange sie Schwarz-Weiss sind, kein Problem in meinem Fall; sobald es aber farbige Bilder sind heisst es zum nächsten Copyshop rennen, denn der Laserdrucker vermag es nicht, farbige Bilder aus sich heraus zu zaubern.

Multimedial organisiert

Über Musikstücke soll man den händisch angelegten Zettelkasten gar nicht ausfragen, was soll der mit einem mp3-File anfangen? Der geübte Musikus könnte sich Akkordreihenfolgen notieren oder gar ganze Partituren vom gehörten Material anfertigen, aber wie denn solche Informationen in einen Index einarbeiten? Mit viel Phantasie würde man sich ein Ordnungssystem aneignen, das einem im nächsten Moment wie eine Unordnung vorkommt: Die Akkorde sind irgendwo aufgeschrieben, die Partituren irgendwo gelagert, bloss wo?

Litlink unter die Haube geschaut.

Screenshot: Litlink organisiert die Buchdaten, Exzerpte und Kommentare.

Elektronisch: Karteikasten für den kleinen Ordnungshelden

Und da sind wir denn auch schon beim springenden Punkt, der den Karteikasten aus dem Rennen ausscheiden lässt: der Index will fein-säuberlich nachgeführt sein, Stichworte kontrolliert und die Karten an der richtigen Stelle im System eingeordnet sein. Wer dabei nicht der grosse Ordnungsheld ist, hat das Spiel schnell verloren, wenn er denn eine einigermassen grosse Zahl an Zitaten beisammen hat. Dies natürlich auf Zetteln, die alle gleich aussehen, sich nur durch die Dinge unterscheiden lassen, die ins Papier eingeprägt sind. Kommt da mal etwas ein bisschen durcheinander, vertauscht beispielsweise Zettel 35/5a seinen Platz mit Zettel 27/3c und kommt ein Windstoss, der Zufallsgenerator spielt, so ist die ganze Arbeit schnell verloren oder ein grosser Stapel Arbeit wartet darauf, vollbracht zu werden: Eine Woche lang würde dann auf der Pendenzenliste stehen, dass der Karteikasten eine Sortierung benötige.

Automatische Sortierung und Bibliografie-Stile nach Strickmuster

Diese Sortierung übernimmt Litlink automatisch. Man braucht lediglich Schlagwörter anzugeben, kann Notizen und Zitate den Buch- und Personeneinträgen zuordnen, wobei diese miteinander verlinkt werden. Sucht man nun nach einem bestimmten Schlagwort, kann man immer noch auf zufällige Dinge stossen, recherchiert man gründlich in der Kartei, kann man sogar Gedanken finden, von denen man gar nicht mehr weiss, dass man sie je einmal gehabt hatte. Und der grösste Vorteil: Es lassen sich verschiedene Bibliografie-Stile einrichten, mit denen man die Ausgabe von Bibliografien automatisieren kann und je nach Anforderung anpassen kann, ohne mühsam jeden Eintrag manuell abzuändern.

Der steinige Weg zur digitalen Sammlung

Bis man allerdings alles in seiner digitalen Form hat, vergeht eine gewisse Zeit. Die Monografien, Sammelbände und Aufsätze wollen zuerst aus irgendeinem Bibliothekskatalog importiert und mit den eigenen Bemerkungen annotiert sein, dann erst hilft einem die Datenbank etwas. Funktioniert einmal alles, soll man von einer tollen Gedächtnisstütze profitieren können. Ganz nach dem Luhmannschen Zettelkasten, mit dem man sogar kommunizieren könne.

Literaturhinweise und Download-Links:

[1] Alte Gedanken zu Zettelkästen: 19.8.2007: Zettelkasten oder Tags?; 1.5.2008: Lieber Zettelkasten statt Tags.
[2] Lit-Link: Zettelkasten-System, das auf einer Filemaker-Datenbank basiert. Wird an der Universität Zürich entwickelt und stetig verbessert.
[3] Luhmann, Niklas (1992): Kommunikation mit Zettelkästen. Ein Erfahrungsbericht. In: Derselbe: Universität als Milieu, Bielefeld: Haux, 53–61.

Wo sind die Paradiesvögel geblieben?

In der Kleinstadt ein Buch nachgefragt: «Haben Sie den Paradiesvogelschiss?» Was sollen wir haben? (Entsetzter Blick). Nein, also so etwas habe sie noch nie gehört, meint die Buchhändlerin. Den Aautor kenne sie auch nicht.

Nebenan liegen Flugblätter auf, die für Buchvielfalt einstehen und dabei die Aufmerksamkeit wegen der Buchpreisbindung auf sich lenkt. Und das in einer Bücherei, die nicht einmal Rühmkorf hat, dessen Sarg ja vor kurzer Zeit in allen Feuilletons herumgeschleppt worden ist.

Wenns die nicht haben,w ird man sicher bei einer anderen Handlung mit Büchern fündig. Dahin gegangen, wo man eigentlich von Anfang an gehen sollte, wenn man eine breite Palette braucht. Da ist ein Schild auf die offene Tür geklebt, das einem bedeutet, geduldig zu sein, der Laden sei geschlossen bis alle Bücher gezählt und inventiert sind.

Immer noch nicht locker gelassen, den Schiss des Paradiesvogels irgendwo zu finden. Den glorreichen Einfall gehabt, doch in die dritte mir bekannte Buchhandlung zu laufen. Die müsste doch bestimmt etwas haben, denn mit diesen Buchhändlern diskutierten auch geschätzte Leute, die man kennt.

Auch hier wird man von einem Schild an der Tür empfangen: Grosse Lettern zeigen an, dass der Laden geschlossen sei.

Wäre man gleich zu Beginn der Tour zu Hause geblieben, hätte man im Computer gesehen, dass die Auflage vergriffen sei, aber im Juli eine neue erscheie. Was soll man da noch sagen, ausser dass der Weg zum Paradies steinig ist?

Nicht einmal das kleinste Produkt, den Paradiesvogelschiss kann man bekommen. Auch dann nicht, wenn man bereit gewesen wäre, Geld dafür springen zu lassen. Was einem missgönnt geblieben wäre, wenn man bloss in den Computerbildschirm gestarrt hätte: der entsetzte Blick der Buchhändlerin wegen dem Paradiesvogelschiss.

Wecker gehen auf den Wecker

Eigentlich war der Gedanke einmal gewesen, jedes Mal beim Aufwachen an die schöne Pariser Zeit erinnert zu werden. Erinnerungen an die Schachspieler im öffentlichen Park, die der Hitze der Grossstadt einen Springer stehlen. Auch daran, wie man auf den Stühlen gesessen hat, die mit ihren abgeschnittenen Beinen richtig einladend wirken.

Dabei darf man den Aussicht nicht vergessen: die Kinder, die ihre kleinen Boote mit einem Holzstab angetrieben haben. Ein kleiner Schubs und die Boote schwimmen vom einen Ufer ans andere. Einwirkungen von aussen wie wenn ein Wind den Booten seine Kraft geliehen hätte.

Nach dem stundenlangen Zuschauen dann genug Energie gesammelt, um weitere Erkundungen der Stadt vorwärts zu treiben. Dabei immer wieder vorgestellt, wie man mit einem Stab geführt wird, vom einen ans andere Ufer.

Da kann man dann gar nichts dafür, wenn man plötzlich in einem Möbelhaus landet, wo man auch gar nicht anders kann als irgendwelche Espressotassen zu kaufen, die auf den Namen «Sylvie» hören. Während man dann nicht mehr weiss, ob man sie gekauft hat, weil die Tassen oder der Name schön war, aber trotzdem bereut, keinen Espresso zu trinken, kommen auch die Gedanken wieder, die den Kauf des Weckers im gleichen Kaufhaus veranlasst haben.

Hoffentlich funktionieren die Stecker, das eigene Süppchen in der Schweiz kocht ja auch auf anderen Steckdosen. Zu Hause entdecken, dass Suppen überall mit Wasser gekocht werden. Dabei schöner aufwachen, weil man die Boote mit im Bett hat.

Weil ein Aufwachen im Boot zu Beschwerden im Kreislaufsystem führen kann, auf die Erinnerungen verzichtet. Und so geht der Alarm, auch derjenige mit Pariser Herkunft, am morgen nur noch auf den Wecker, insbesondere dann, wenn statt Radio der richtige Alarm ausgelöst wird.

Grünende Hoffnung im Kinderwagen

Schon wieder im Wald spazieren gegangen. Da ist das Wetter viel erträglicher, die Spaziergänger dadurch auch. Nur sie, die eine Frau, die ihren Kinderwagen beim steilen Abstieg bremst, zieht ein Gesicht, wie man es noch nie gesehen hat.

Warum sie so schlecht gelaunt sein mag? – Nicht alles ist den Menschen vom Gesicht abzulesen, schon gar nicht, wenn Blickkontakt explizit verweigert wird, nur ja keinen Blick durch die Augen nach innen erlauben! Und auch wenn man gewillt ist, das Unerklärliche zu erklären, sollte man es mit Erklärungen von Gesichtern so halten wie es Zettel in Shakespeares Sommernachtstraum hält:

Zettel spricht:«[…] Ich habe ein äußerst rares Gesicht
gehabt. Ich hatte ’nen Traum – ’s geht
über Menschenwitz, zu sagen, was es für
ein Traum war. Der Mensch ist nur ein
Esel, wenn er sich einfallen läßt, diesen
Traum auszulegen.» (4. Aufzug, 1. Szene)

Man wäre also ein Esel, zu erklären, was dieser Frau das Gesicht bei Temperaturen wie diesen einfrieren lässt. Polarsterne auf nackten Bäuchen werden es wohl nicht gewesen sein.

Viel schöner wäre es allerdings, wenn ihr Gesicht mit einem Lächeln darauf versteinern würde. Ein Lächeln, das für andere da ist, ein Lächeln, das weitererzählt werden will, und ein Lächeln, das der grünenden Hoffnung im Kinderwagen ein Fundament zu legen weiss.

So wie die Büste im Garten:

Ernstes Lächeln im Garten